Pygmalioneffekt
- Die Ursache Kraft -

© 1998 - 2022 Wolfgang Neundorf
Stand: 20.08.2022

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Auch der Kraftbegriff verführt dazu, ihn zu “missbrauchen” und ihn als selbständige, vom konkreten materiellen Wechselwirkungsgeschehen abgelöste, eigenständige “Ursache” misszuverstehen. Und diese “Ursache Kraft” findet ihre Legitimation im Feldbegriff, der wiederum als Abbild einer materiellen Entität betrachtet wird.

    Inhalt

  1. Abbilder und Begriffe
  2. Das Objekt Zeit
  3. Die Ursache Kraft
  4. Der objektive Raum
  5. Objektbezogene und relationale Begriffe

Einen der wichtigen Grundbegriffe der Mechanik finden wir im Kraftbegriff. Eine Kraft ist, so das Verständnis in der Physik, die “Ursache” für die Bewegungsänderung oder die Verformung von Materie. Jetzt müssen wir nur noch nach den Ursachen der jeweiligen Kräfte fahnden...

 

 

Pygmalion-Effekt - Die Ursache Kraft

 

Zunächst jedoch bleiben wir beim Thema, welches noch nicht abgeschlossen ist. Um die „materialisierten Abstraktionen“ handelt es sich. Eine davon beschäftigte uns recht lange. Eventuell hat der Leser eine Vorstellung gewonnen davon, worum es genau genommen geht. Das in der Tat schon wäre als Erfolg zu verbuchen. (Die Formulierungen mitunter sind komplizierter als die Gedanken.) Als ein weiteres Beispiel im gerade zu besprechenden Zusammenhang müssen wir im Kraftbegriff sehen. Eventuell wird hierbei noch deutlicher gezeigt werden können, was mit den materialisierten Abstraktionen gemeint ist, zumal wir einige Seiten dieser Problematik schon recht ausführlich behandelten.

Da ist in der klasischen Mechanik von der Ursache der Bewegungsänderung (Beschleunigung) einer Masse die Rede. Als Ursache gilt innerhalb der Newtonschen Mechanik die Kraft. Vier Kräfte kennen wir. Jene Kräfte werden „erklärt“ durch Felder. Unser Schwerpunkt im jetzigen Zusammenhang liegt in der Aussage: Als Ursache innerhalb der klassischen Mechanik gilt die Kraft. (dies ist ein Teil des sogenannten mechanistischen Standpunktes). Die Kraft als Ursache also. Folgende einfache Darstellung soll dies erläutern.

Kraft

Abbildung 1

Das dargestellte Massestück soll angehoben werden. Dies kann erfolgen mit Hilfe der verschiedensten Vorrichtungen oder auch von Hand mittels der Muskel-„Kraft“, so sie ausreichend sein sollte. Zum Anheben eignen sich alle erdenklichen technischen Hilfsmittel, die da sein können: Flaschenzug, Motorwinde mit Elektro- oder Verbrennungsmotor, hydraulische oder pneumatische Hebevorrichtung oder Elektromagnet oder was sonst noch möglich ist. Der Phantasie sind fast keine Grenzen gesetzt. Die Ergebnisse werden sein: Das Anheben der Masse und die Dehnung der Feder in der Federwaage um einen bestimmten Betrag, welcher natürlich unabhängig ist von der Art und Weise, wie dieses Anheben erfolgt.  

Andererseits lässt sich die (schwere) Masse ersetzen durch eine beliebige andere „Kraft“-Quelle, die genau wie die gerade beschriebenen beschaffen sein kann. Einzig wichtig ist die Dehnung der Feder des „Kraft“-Messers um diesen bestimmten Betrag. Auf diese Art lassen sich verschiedene Ursachen miteinander an ihrer Wirkung messen. Diese Wirkung genau ist jene beobachtete Federdehnung. Jetzt dürfen wir von den verschiedenen Ursachen absehen und die Größe der Federdehnung als ein Maß für „die Stärke der Ursache“ ansehen. Und diese Quantität ist die uns allen wohlbekannte Kraft!

Kraft

Abbildung 2

Bis hierhin hat alles seine Richtigkeit. Doch der „gedankliche Salto mortale“ folgt auf dem Fuße.

Die Kraft als quantitatives (relatives) Maß, in einem Abstraktionsprozess entstanden, mit dem der Vergleich qualitativ unterschiedlicher Ursachen erfolgen kann, wird zur Ursache selbst!

Die konkrete Ursache wird ersetzt durch ein abstraktes Maß: die „Stärke der Ursache“. Eine Abstraktion wird materialisiert. Eine „einheitliche Wirkung“ (die Federdehnung im Beispiel) benötigt eine „einheitliche Ursache“: die Kraft. Andererseits kann die „gleiche“ Ursache verschiedene Wirkungen haben: Eine Feder wird gedehnt, ein Gewicht gehoben oder ein Wagen in Bewegung gesetzt.

Eine andere Darstellung (Abbildung 2) soll dies untermauern. Zunächst existiert das System mit dem Tisch, dem Ständer und der Feder. In Höhe der Schnittebene denken wir uns dieses System aufgetrennt. Als nächstes ersetzen wir die konkrete Verbindung des Massestückes mit der Federwaage durch zwei - entgegengesetzt gleiche - Kräfte. Die eine ist die nach unten gerichtete Schwerkraft Kg, welche an der Stelle „angreift“, an der zuvor die Masse befestigt war und die Feder dehnt. Die zweite Kraft ist die nach oben gerichtete Federkraft Kf, welche dafür sorgt, dass die Masse nicht nach unten fällt. Haben wir bei dieser Vorgehensweise die quantitativen Verhältnisse im Blickfeld, so gibt es daran nichts auszusetzen.

Die Kräfte als quantitative Ausdrucksmöglichkeiten bei der Wechselwirkung physikalischer Systeme sind Bestandteil der Statik nebst Festigkeitslehre. Einem bestimmten Bauelement - einem Träger beispielsweise - ist es „völlig gleichgültig“, welches die wahre Ursache für seine Belastung ist. Hauptsache, eine bestimmte maximale Größe dieser Last wird nicht überschritten. Ob jene Last ein Gewicht ist oder die Wirkung eines hydraulischen Zylinders, bleibt völlig unerheblich, da in diesem Zusammenhang nur die Größe der Last von ausschlaggebender Bedeutung sein kann.

Verselbständigen („materialisieren“) wir diese Kräfte, so sind größere Schwierigkeiten unausweichlich. Diese Verselbständigung heißt, die Kraft als eigenständige Ursache einer Wirkung begreifen zu wollen, welche von der wahren Existenzgrundlage in Gestalt realer Objekte isoliert auftritt. Jetzt wird der Versuchsaufbau nicht mehr als konkretes System verstanden, sondern jetzt ist die Ursache der Federdehnung erst einmal eine Kraft: konkret die Schwerkraft (das Gewicht). Unausweichlich drängt dann sich die Frage nach der Ursache des Gewichtes auf. Diese Ursache ist das uns allen zur Genüge bekannte Gravitationsfeld. Nicht irgendwelche Kräfte sind Ursache irgendwelcher Wirkungen, sondern die Kräfte entstehen im Nachhinein als „gemeinsamer Nenner“ (Quantifizierbarkeit durch Abstraktion) bei den verschiedensten Wechselbeziehungen der verschiedensten Systeme. Im Rahmen der Phänomenologie makroskopischer Körper sind keine Schwierigkeiten zu erwarten, ersetzt man die konkreten Wechselwirkungen durch deren quantitatives Maß.

Ein letztes Beispiel (Abbildung 3) soll das Thema abrunden. Im unteren Teil des Zylinders sei Luft eingeschlossen. Stellen wir auf den Kolben ein Massestück, so wird einerseits jenes am Fallen gehindert, und andererseits die Luft um ein bestimmtes Maß komprimiert, was deren Druckerhöhung (und vorübergehenden Temperaturanstieg) zur Folge hat. Das Gewicht ist eine Kraft, welche eine Veränderung des Zustandes eines Gases verursacht. Die Ursache für die Tatsache, dass das Massestück nicht fällt, ist eine Kraft, welche in Form des Gasdruckes auf den Kolben und damit auf die Masse wirkt. Auch hier wieder befinden zwei entgegengesetzte Kräfte sich im Gleichgewicht. Letztere Kraft ist gleichfalls in der Lage, Arbeit zu verrichten (z.B. eine Last zu heben). Es ist nur erforderlich, die Luft im unteren Teil des Zylinders zu erhitzen. Thermische Energie wird zum Teil in mechanische Energie „umgewandelt“.

Kraft

Abbildung 3

Der Druck im Zylinder ist Wirkung der Wärme. Und Wärme ist nichts anderes als die ungeordnete Bewegung der Atome und Moleküle in Stoffen. Dies gilt damit auch für Gasmoleküle. Diese Erkenntnis aber ist nicht sehr alt. Noch Ende des 18. Jahrhundert wurde Wärme mit der Existenz eines Wärmestoffes (“Caloricum” oder “Phlogiston” genannt) identifiziert. Ein heißer Körper enthält mehr Wärmestoff als ein kalter; und ein wärmerer Körper hat das Bestreben, einen Teil dieses Stoffes an die Umgebung bzw. an einen kälteren Körper abzugeben, bis ein Temperaturausgleich erzielt wird. Die Frage nach dem Wesen dieses Stoffes musste naturgemäß unbeantwortet bleiben. Doch unabhängig von dieser Deutung gelangten viele Forscher zur Einsicht, die Wärme als (sich der unmittelbaren Beobachtung entziehenden „versteckte“) Bewegung der kleinsten Teilchen der Stoffe zu verstehen. Zum Beispiel Francis Bacon (1561-1621) in „Novum organon scientiarum“:

Francis Bacon

Die Wärme selbst ist in ihrem Wesen nach nichts anderes als Bewegung... Wärme besteht in wechselnder Bewegung der kleinsten Teilchen der Körper.

Ungeachtet bestimmter Einsichten galt die Wärmestoffhypothese als die dominierende Vorstellung, zumal die phänomenologische Wärmelehre in vielen Punkten gut mit dem Wärmestoff vereinbar war. Anders formuliert: die Ergebnisse der phänomenologischen (quantitativen) Thermodynamik waren (innerhalb gewisser Grenzen) invariant in Hinsicht auf (qualitative) Erklärungsversuche, die „Ursache der Wärme“ betreffend.

Gesehen hatte die Wärmebewegung kein Mensch, weil es sich um die (versteckte) hypothetische Bewegung unsichtbarer hypothetischer Elemente handelte. Doch der englische Botaniker Robert Brown (1773-1858) beobachtete „unerklärliche Phänomene“ als er Pflanzenteile unter dem Mikroskop untersuchte. Im Pflanzensaft schwimmende Stoffteilchen bewegten sich völlig unmotiviert zick-zack-förmig in alle Richtungen. Später wurde diese Bewegung als „Brown sche Bewegung“ bezeichnet. Aber auch in Wasser aufgeschwemmte Tonpartikeln zeigten jenes ungewöhnliche Verhalten. Je kleiner die Teilchen, um so schneller zitterten diese. Die Ursache für dieses Verhalten - uns heute völlig klar - ist in der Wärmebewegung der Flüssigkeitsmoleküle zu sehen, welche einen Teil ihrer Bewegung auf die wesentlich größeren und deshalb unter dem Mikroskop sichtbaren Stoffpartikeln übertrugen.

Der Wärmestoff hingegen war die materialisierte Form des Abstraktums Wärme. Die Wärme zunächst ist eine Eigenschaft gasförmiger, flüssiger oder fester Stoffe. Wird diese Eigenschaft von eben jenen Stoffen getrennt, so steht sie neben diesen Objekten, an die sie in Wahrheit untrennbar gebunden ist. Aus einer losgelösten Eigenschaft wurde eine selbständige materielle Gegebenheit. Hier im wörtlichen Sinne ein Stoff: der Wärmestoff.

Diese Vorgehensweise ist vergleichbar mit dem Versuch, einen Ball zu zerlegen in die „Bestandteile“ Leder und Kugelförmigkeit und beide „Teile“ nebeneinander auf den Tisch zu legen.

Wieder einmal haben wir uns anscheinend vom eigentlichen Thema weit entfernt. Womit aber fingen unsere Überlegungen an? - Da ging es um eine Hebevorrichtung, welche von einem pneumatischen Zylinder bewegt werden sollte. Als Ursache des Anhebens des Gewichtes galt eine Kraft, erzeugt vom Gasdruck, insbesondere bei sich ausdehnender Luft infolge deren Erwärmung. Die Ursache jener Erwärmung zunächst war ein bestimmter spezieller Stoff, „Wärmestoff“ genannt. Die Ursache für das Heben einer Masse war somit die Zufuhr eines Stoffes. Dieser Wärmestoff war die „materialisierte Energie“ als Ursache für das Heben des Gewichtes.

Interpretieren wir jedoch die Wärme als Bewegung der Gasmoleküle, so wird mit einem Erwärmen des Gases auch die Bewegung jener Moleküle verstärkt, was zur Folge das Heben des Massestückes hat. Versteckte (mikroskopische) Bewegung wird (zum Teil) übertragen auf einen (makroskopischen) Körper. dass dabei als das Maß dieser Bewegung eine Kraft dient, hat nicht mehr die ausschlaggebende Bedeutung:

Ursache des Hebens der Masse ist die Wärme als mechanische Bewegungsform und nicht die Größe dieser konkreten Wechselbeziehung in Gestalt des quantitativen Kraftmaßes.

Andererseits „erzeugt“ das Gewicht der Masse einen Druck auf das Gas. Dieses Gewicht aber ist nichts anderes als der von uns unmittelbar beobachtbare Effekt, den wir mit dem Wort „Gravitation“ umschreiben.Fassen wir zusammen:

Eine Kraft stellt das quantitative Maß der Stärke einer Wechselwirkung innerhalb relativ starrer (makroskopischer) Systeme an einer definierten Schnittstelle dar. Dies ermöglicht den quantitativen Vergleich (zunächst) qualitativ verschiedener Wechselwirkungen. Kräfte treten nur im unmittelbaren Kontakt relativ starrer Systeme (zum Beispiel fester Körper) auf und besitzen Ersatzcharakter, das heißt, sie ersetzen die konkrete Wechselwirkung durch eine abstraktes Maß.

Die traditionelle Physik vermengt Qualitäten (die konkrete Wechselwirkung konkreter Systeme) mit Quantitäten (Stärke dieser Wechselwirkung in Form der Kraft, welche an deren Wirkung gemessen wird). Die Folge: es gibt neue Qualitäten - in Gestalt der Felder. Erst die Verselbständigung und damit die „Objektivierung“ der Kraft als kausale Ursache führt zu irreführenden Fragestellungen: nämlich zu der Frage nach der Ursache der Kraft. Und die Ursachen der „Fern“-Kräfte sind die Felder usw... So gesehen brauchen diese Felder den Vergleich mit dem Wärmestoff seligen Angedenkens keineswegs zu scheuen. Die Kraft als kausale Ursache bildet gewissermaßen die „erste Stufe der Materialisation“. Die „zweite Stufe“ haben wir mit Einführung des Feldes als selbständige materielle Struktur erklommen. Die Analogie zur „lebenden“ aber noch hölzernen Marionette Pinocchio vervollständigt sich, da jener zum Schluss ein Mensch wird aus „Fleisch und Blut“. Im Märchen gibt es dagegen nichts einzuwenden. Das äußerst schwerwiegende Problem der genannten materialisierten Abstraktionen besteht im Stellen irrelevanter Fragen, zum Beispiel: „Welche Eigenschaft besitzt die Zeit?“ oder „Welches ist die Ursache der elektrischen Kraft?“. Oder anders:

Aus dem Studium der „Anatomie des Strichmännchens“ wird versucht, die Anatomie des Menschen zu ergründen. Wenn dies auch übertrieben klingen mag, so gilt dies doch für die praktizierte Physik. Das Unverständnis über die Seltsamkeit der modernen Physik ist vergleichbar mit der Verwunderung darüber, dass der Mensch unverständlicherweise ein ganz klein wenig komplexer zu sein scheint, als eine naive Kinderzeichnung es zunächst vermuten lässt.

Wiederholen wir abermals die Aussage über das Verständnis von der Physik (“Statisches Paradigma”)

Das grundlegende Verständnis von der Physik ist charakterisiert durch das Nebeneinander von Raum, Zeit, Materie, Bewegung und Wechselwirkung (als Ausdruck von Eigenschaften der Objekte) sowie das Nebeneinander von vier - zunächst voneinander unabhängigen - Wechselwirkungsformen. Alle Wechselwirkungen sind von der Anlage her statischer Natur.

Jetzt hatten wir uns also mit einer weiteren Facette der Problematik des Nebeneinanders (Dualismus) von Bewegung und Wechselwirkung beschäftigt. Diese kam zum Vorschein in der „Existenz“ von verursachenden Kräften. Diese Kräfte fanden ihre Legitimierung in den Feldern. Der Dualismus von Bewegung und Wechselwirkung findet letztendlich sein Abbild wieder im Dualismus von Materie und Feld. Letzterer auch ist Merkmal Einstein scher Theorien. Anders formuliert:

Es „gibt“ die Felder deshalb, weil die Trennung von Bewegung und Wechselwirkung - von Kinematik und Dynamik - Wesensmerkmal des aktuellen physikalischen Weltbildes ist.

Selbst die abenteuerlichsten Hypothesen unserer Tage ändern nicht das geringste an dieser Tatsache. Folgende Darstellung soll in anschaulicher Form das Problem der materialisierten Abstraktionen am Beispiel des Kraftbegriffes verdeutlichen.

Kraftbegriff

Abbildung

Pygmalion-Effekt Abbilder Zeit Kraft Raum Begriffe

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