Wissenschaft und Kritik - Wissenschaft und Gesellschaft
19.05.2001
Wissenschaft ist Bestandteil der Kultur. Das ist nicht neu. Aber viele Fragen bleiben trotzdem offen.
In einer Pressemitteilung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) vom 17.05.2001 war unter anderem zu lesen:
Sich mit Physik zu beschäftigen, gilt unter Jugendlichen geradezu als exotisch: Beinahe zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler wählen dieses Fach zum frühestmöglichen Zeitpunkt ab. Unter den rund
250.000 Abiturienten in diesem Jahr sind die Physikerinnen und Physiker fast eine Randerscheinung.
Solche Aussagen sind, obgleich aus aktuellem Anlass formuliert (der hier nicht ganz so wichtig ist), nicht gerade neu. Diese Sätze beschreiben ein Symptom - fragt sich nur, für welche
(gesellschaftliche) Krankheit. Zumindest die Naturwissenschaften scheinen einigermaßen "out" zu sein. Andererseits waren es gerade die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, die letztlich den
Weg wiesen auch hin zu unseren alltäglichen technischen Errungenschaften.
In einem anderen Zusammenhang formuliert (eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Problematik der Homöopathie), finden wir folgenden Text (Erfolge der Homöopathie - nur ein Placebo-Effekt?, Link nicht mehr gültig):
Die Erkenntnisse der Wissenschaft sind ein kostbarer, kollektiver Besitz der Menschheit, der in der Vergangenheit schwer erkauft worden ist. Märtyrertum und Scheiterhaufen stehen unübersehbar am Weg.
Für diesen Besitz, dessen Gültigkeit immer wieder vorurteilsfrei überprüft worden ist, tragen wir alle eine große Verantwortung. Wenn es sich um Behauptungen handelt, die man testen kann - und nur solche
gelten definitionsgemäß als (natur)wissenschaftlich - dürfen und müssen wir daher die Autorität der wissenschaftlichen Methodik in Anspruch nehmen, um die Richtigkeit der Behauptung zu klären. Ein
Rückfall in abergläubisches Denken ist ein Prozeß, dem die Hüter kultureller Werte nicht gleichgültig zusehen sollten. Es liegt an uns, etwas dagegen zu tun, daß unsere Nachfahren das auslaufende
Jahrhundert [das 20. Jahrhundert, W.N.] mit einem Rückfall in das Zeitalter magischen Denkens verbinden werden.
Mit diesen Sätzen habe ich einige Probleme. Zum Beispiel: "Die Erkenntnisse der Wissenschaft sind ... Besitz der Menschheit". Meint man hier wirklich die Erkenntnisse
, oder deren gesellschaftlich relevanten - sowohl die positiven als auch die negativen - Folgen
(z. B. die der Technik und die der Anwendung der Erkenntnisse in der Schulmedizin)? Die Erkenntnisse an sich (im Sinne von allgemeingültigen Informationen über die Natur und deren Gesetzmäßigkeiten) bedürfen eines Substrates. Dies zunächst sind die toten Datenträger, vom handschriftlichen historischen Manuskript bis hin zu den Inhalten einer Web-Seite, auf einem Web-Server gespeichert.
Das genügt aber nicht. Es bedarf des wissenden und handelnden Menschen. "Die Menschheit" ist es mit Sicherheit nicht, sondern es sind die Spezialisten, die sich einen ganz kleinen und ganz bescheidenen Ausschnitt jenes Wissens und jener Erfahrungen angeeignet haben und -
vielleicht - diesen Auszug um einen ganz bescheidenen und ganz kleinen Beitrag bereichern.
Da nicht jeder alles wissen kann, bleibt jedem Vertreter des "Restes der Menschheit" nichts anderes übrig, als zu glauben. Oder er glaubt eben nicht! Er muss den Experten
trauen und vertrauen. Oder er vertraut eben nicht!
Nachvollziehbare Erkenntnis - der ursprüngliche Grundgedanke der Aufklärung - gibt es längst nicht mehr. Das angehäufte Wissen (vgl. auch Information (I), Information (II), Information (III)) ist einfach nicht mehr vom Einzelnen erfass- und überschaubar und auch nicht mehr objektiv zu bewerten. Deshalb
verbleibt beim Laien eine Wissenslücke, die durch Vertrauen, Misstrauen und/oder Skepsis - ausgefüllt wird.
Je nach individueller Erfahrung! Je nach individuellen Vorurteilen!
Und wir alle, die Experten auf ihrem jeweiligen Fachgebieten ebenso, sind nun einmal Laien in allen anderen Bereichen."Die Erkenntnisse der Wissenschaft sind ... Besitz der Menschheit"
bleiben darum leere Worthülsen, die lediglich eine hinter ihnen stehende Ideologie kennzeichnen.
Nun ist auch von der "Autorität der wissenschaftlichen Methodik"
die Rede. Dies ist ein weites Feld. Mit dieser "Autorität" sind weitreichende Probleme verknüpft. Grund genug, sich dieses Themas einmal ausführlicher anzunehmen. Ob dieser Besitz aber wirklich immer
"vorurteilsfrei überprüft worden ist", bedarf der näheren Analyse. Denn: Selbst die “vorurteilsfreieste” Untersuchng bedient sich immer - IMMER
UND OHNE JEDE AUSNAHME! - gegebener Vor-Urteile in Gestalt des vorhandenen Theorien-Potenzials (Paradigmata etc.). Es geht einfach nicht anders. Aber man sollte sich dieser Tatsache
bewusst sein.
Konkret auf die Homöopathie bezogen: Bei der so genannten “Potenzierung” einer homöopathischen Arznei handelt es sich
um dermaßen hochgradige Verdünnungen, dass vom eigentlichen Wirkstoff im Lösungsmittel nicht ein Molekül mehr vorhanden sein kann. Nehmen wir dies als gegeben hin, so gibt es logisch
- bitte nicht die Logik ignorieren, wie es in Physikerkreisen seit etwa 100 Jahren zur Mode wurde! - nur zwei Möglichkeiten, mit diesem Widerspruch fertig zu werden. Entweder - erstens
- wir haken das Ganze als Spinnerei und Einbildung ab, wohlwollend als “Placebo-Effekt” bezeichnet, und/oder betrachten alles, weniger wohlwollend artikuliert, als einen “Rückfall in abergläubisches Denken
”. Die zweite Möglichkeit, diese Angelegenheit - zumindest hypothetisch - betrachten zu wollen, genau besteht darin, anzunehmen, das Lösungsmittel bewahrt bestimmte
Informationen auf über - noch völlig unbekannte - Wirk-Mechanismen. Wichtig dabei ist, dass eine schrittweise Verdünnung über viele Stufen stattfindet. Die zweite Möglichkeit wird von der
“seriösen Physik” grundsätzlich ausgeschlossen, bzw. nicht einmal in Erwägung gezogen, da sie allgemein erkannten und anerkannten Gesetzen zuwiderlaufen würde. (Soviel zur
“Vorurteils-Freiheit”.) Lediglich die “Pseudo-Wissenschaften” nehmen sich dieser Hypothese mit - zugegeben - recht bescheidenem Erfolg an. Aber auch hier gilt - wie in der
traditionellen Physik schon seit 100 Jahren etwa - der totale Pragmatismus: Der Erfolg gibt recht - so es denn Erfolge gibt. Dann aber - bitte sehr - nicht mit zweierlei Maß messen!
Entweder wir akzeptieren diesen Pragmatismus auf allen Gebieten - z. B. Quantenphysik (vgl. Welle
oder Teilchen, Zur Dominanz der Elektrodynamik bei der Erarbeitung der Quantenphysik, Quanten) und Homöopathie -, oder wir sind uns nicht zu fein, beides
zu hinterfragen, auch dann, wenn wir noch nicht in der Lage sind, diese Fragen zu beantworten. Die Bereitschaft aber, wenigstens Fragen
dieser Art zu akzeptieren, sollte kennzeichnend sein für die ach so seriöse und ach so stolze Wissenschaft! Der Versuch, diese Fragen dann auch zu beantworten (oder es wenigstens zu wollen
), wäre der nächste Schritt. Dann erst, wenn man diesen Weg zu beschreiten bereit ist - und man ist es offensichtlich nicht -, dürfen wir, im Rahmen der bekannten Grenzen, von Vorurteils-Freiheit
reden.
Aber dann gibt es noch das eigentliche, völlig ungeklärte, Problem: Vom Placebo-Effekt
ist die (unverständliche) Rede. Beim Testen von “richtigen” (also wirkstoffhaltigen) Medikamenten (Verum) wird Wert darauf gelegt, den - auch hier wesentlich in Erscheinung tretenden -
Placebo-Effekt zu eliminieren. Dabei bedient man sich so genannter Doppelblind-Studien (eine Form praktizierter wissenschaftlicher Methodik
hier in der Medizin). Hierbei weiß weder der Proband noch der beobachtende Arzt, um jedwede bewusste und auch unbewusste Beeinflussung auszuschließen, welche der Versuchspersonen das echte Medikament und welche das
Placebo erhält.
Placebo: Hier ein Scheinmedikament, das mit dem echten identisch ist - bis auf eine “Kleinigkeit”: Es enthält genau jenen Wirkstoff nicht,
den man testen will.
Und erst, wenn die Wirkung des wirkstoffhaltigen Präparates “statistisch signifikant” (was das genau bedeutet, ist ein
Thema für sich) die “Wirkung” des Placebos übertrifft, hat das Präparat eine schwierige Hürde genommen. Die andere - noch schwierigere - Hürde heißt Nebenwirkung. Nicht das
momentane Thema. Jedenfalls gehen den klinischen Tests erst einmal Tierversuche voraus, bei denen - so hofft man - erhebliche, die Gesundheit und das Leben der Menschen bedrohende, Nebenwirkungen mit “hoher Wahrscheinlichkeit” (ein ziemlich dehnbarer Begriff) auszuschließen sind.
Jetzt allerdings wundere ich mich - als bekennender medizinischer Laie -, wie denn ein Schein-Medikament überhaupt
tatsächlich
etwas bewirken kann. Nun, es geht um die psychologische Wirkung des gesamten Ablaufes der Behandlung beispielsweise. Schon der “Arzt an sich” ist mitunter Wirkung und Therapie genug. Die “Einbildung” bewirkt - jedenfalls zum Teil - das Gleiche, wie das Medikament, dessen Wirkung auf chemischer Einflussnahme beruht. Die Psyche “emuliert” also (teilweise) die chemische Wirkung der Arznei und kommt dabei nicht einmal ohne Nebenwirkung aus.
Emulation: Begriff aus der Informatik. Im Gegensatz zur
Simulataion, tut hierbei ein Programm nicht nur so als ob es etwas tut, sondern es führt die Aktivitäten der simulierten Original-Hard- oder Software, eventuell mit Einschränkungen,
tatsächlich aus. Mit einem Flug-Simulator kann man natürlich nicht wirklich abheben und fliegen. Aber ein Drucker, der einen “Laserjet” emuliert, verhält sich
gegenüber dem Betriebssystem des Computers genau so wie der echte Drucker eines bekannten Herstellers es tun würde. Das Betriebssystem “bemerkt” diesen “Schwindel”
überhaupt nicht.
Wie der Placebo-Effekt aber tatsächlich funktioniert, ist - bis heute! - völlig ungeklärt. Der “Placebo-Efekt”
bezeichnet ein offensichtlich reales Phänomen. Von den Vetretern der Schulmedizin (ist beleibe nicht abwertend gemeint; ich jedenfalls versuche, nicht
zu ideologisieren) wird aber nach außen hin so getan, als handele es sich dabei um eine Erklärung. Dies gilt generell für viele Dinge, die in den Wissenschaften eine Benennung
- und eventuell auch eine Systematisierung - erfahren, wobei man mit einer Bezeichnung schon eine Erklärung
in der Hand zu haben vorgibt. Zumindest dem Laien gegenüber. Und wenn man behauptet, dass ein Placebo - psychologisch determiniert -, den “Selbstheileffekt” stimuliert, so haben wir damit auch nur
konstatiert, dass Psyche und Physis, sich gegenseitig beeinflussen können, auf welchem Wirkungsmechanismus auch immer dies beruhen möge. Damit jedoch ist das Problem lediglich verlagert worden
aber keineswegs als gelöst zu betrachten.
Der Placebo-Effekt
ist somit keine Antwort auf bestimmte medizinische Fragen, sondern eine bislang unbeantwortete Frage.
Die Erfolge der Hömöopthie - nur ein Placebo-Effekt? - Nun ja, das ist ein Standpunkt, den man durchaus akzeptieren mag. Wenn jetzt
nur noch jemand erklären könnte, wie dieser “Emulations-Effekt” eigentlich funktioniert, wäre höchstwahrscheinlich vielen Menschen geholfen. Ich jedenfalls würde mich über diesen
Erkenntnisgewinn mit Sicherheit freuen. Nur sollten wir jetzt konsequent sein und fragen: Die Erfolge der seriösen Pharmakologie - nur ein Placebo-Effekt?
- Wie auch immer, sogar die Wirksamkeit der wirkstoffhaltigen Medikamente beruht zu einem nicht zu vernachlässigbaren Prozentsatz ebenfalls auf eben diesem Phänomen.
Schließlich wird die ganz schwere demagogische Keule geschwungen: "Ein Rückfall in abergläubisches Denken ist ein Prozeß, dem die Hüter kultureller Werte nicht gleichgültig zusehen
sollten." Auch hier fallen mir einige Fragen ein: Was ist tatsächlich abergläubisches Denken? Gibt es in den Wissenschaften eine Art "Leitkultur", denen sich alle
Menschen zu unterwerfen haben? (Ein Teil dieser "Leitkultur" ist beispielsweise die wissenschaftliche Methodik. Und eine Form dieser Methodik im Zusammenhang mit klinischen Tests von Medikamenten habe ich weiter oben kurz erwähnt.)
Wer jedoch sind die Hüter dieser kulturellen Werte?
Und ob wir einen Rückfall “in abergläubisches Denken" zu beklagen haben, wage ich zu bezweifeln. Doch, und das kommt der Sache vielleicht etwas näher, scheint der Aberglaube -
trotz aller Erfolge von Wissenschaft und Technik! - nie gänzlich ausgerottet worden zu sein. Und wenn dem so ist, dann haben die Grals-”Hüter kultureller Werte” einen
nicht zu unterschätzenden Anteil daran. (Welcher Anteil dies sein könnte, ist Hauptthema dieser Web-Site.)
Die Wissenschaften - zunächst vordergründig die Natur-Wissenschaften - sind also ein vielschichtiges gesellschaftliches Phänomen. Ein Teil davon beinhaltet das, was wir Allgemeinbildung
nennen. Doch (siehe erstes Zitat) scheint der naturwissenschaftlichen Allgemeinbildung kein besonders hoher Stellenwert zuzukommen. Dies ist verwunderlich, da es doch - insbesondere in der Physik - um die Befriedigung von Neugier geht. Oder zumindest ging.
Warum ist man nicht mehr neugierig auf das Erkennen naturwissenschaftlicher Zusammenhänge?
Ein
Grund - vielleicht - ist die sich breitmachende Ideologisierung der Wissenschaften. In diesem Text bin ich auf das Beispiel der Homöopathie eingegangen, ohne dass ich mich - dabei selbst ideologisierend - grundsätzlich einer “alternativen Medizin” verschreibe. Schon deshalb nicht, weil ich die
Details nicht einschätzen kann. Und die Erfolge der traditionellen Medizin zu ignorieren, wäre schlicht und einfach nur dumm. Mindestens genau so dumm jedoch ist es, mit Scheuklappen vor den
Augen durch die Welt zu tanzen und damit dem Aberglauben tatsächlich Tür und Tor zu öffnen, dabei vorgebend, diesen zu bekämpfen.
Der anderer Grund - möglich kann dies durchaus sein - ist das sich Ausbreiten der “Irrationalismen der neuen Art”. Zu diesen, den wohl nicht zu unterdrückenden Drang der Menschen
nach Mystik befriedingenden, Aktivitäten zählen die ungezügelten Spekulationen jener Art, wie wir sie z.B. in der Ur-Knall-Theorie mit all ihren “Derivaten” vorfinden.
Zum Abschluss noch einmal einen Satz aus dem schon weiter oben zitierten Text, diesmal im gerade aufgezeigten Zusammenhang zu betrachten:
Es liegt an uns, etwas dagegen zu tun, daß unsere Nachfahren das auslaufende Jahrhundert [das 20. Jahrhundert, W.N.] mit einem Rückfall in das Zeitalter magischen Denkens verbinden werden.
Über den “Rückfall in das Zeitalter magischen Denkens” ärgere ich mich über alle Maßen. Und diesen Ärger habe ich im Beitrag Gottes Urknall in - zugegeben, nicht besonders freundliche und sachliche - Worte gefasst.
Es gibt also eine Menge Fragen. Einige davon habe ich hier gestellt.
02.04.2000
Wer hat so viel Geld? - Wissenschaft ist zum Wirtschaftsfaktor geworden.
Nie zuvor beschäftigten sich so viele Menschen mit Themen der Forschung, wie es etwa seit Mitte des 20.Jahrhunderts der Fall ist. Wahrscheinlich
wurde auch hier - wie so oft - der Krieg "der Vater aller Dinge".
Hier ein Beispiel eines gewiss oft missverstandenen und fehlinterpretierten Ausspruches: Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Die einen macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die
anderen zu Freien. [Heraklit aus Ephesus: Fragmente, S. 8. Philosophie Schülerbibliothek, S. 45]
Wie dem auch sei, geht es um Rüstung (oder Verteidigung?), werden weder Kosten noch Mühe gescheut. Und dass es nur darauf ankommt,
möglichst viel Geld einzusetzen und möglichst viele Leute möglichst konzentriert auf möglichst sinnvolle oder auch "sinnvolle" Ziele anzusetzen, um
jene Ziele in möglichst kurzer Zeit auch zu erreichen, bewiesen wohl erstmalig die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg als es (wie man meinte) darum
ging, Deutschland beim Bau der Atombombe zuvorzukommen. Wie wir wissen, war man damals äußerst "erfolgreich".
Sehr erfolgreich war man in der Tat - nur zwölf Jahre später - als man sich anschickte, das Weltall zu erobern. Zwar ist aus der "Eroberung" bis
heute nicht wirklich etwas geworden, aber immerhin konnte die Sowjetunion 1957 mit einer für die damalige Zeit unglaublichen Sensation aufwarten: Der erste Sputnik umkreiste die Erde.
Die Amerikaner ließen sich - nach anfänglichem Schock - nicht lumpen; und damit begann ein zweiter "Rüstungswettlauf".
Es wurden weder Kosten noch Mühe gescheut!
Der nächste Etappensieg ging an die USA: Abermals zwölf Jahre später - 1969 - landeten die ersten Menschen auf dem Mond. Es ging schon längst
um mehr. Die Überlegenheit des einen oder des anderen Wirtschaftssystem galt es zu beweisen.
Als dann - diesmal mit einem zeitlichen Abstand von zwanzig Jahren - das eine der Systeme aufgrund seiner Unterlegenheit unterging, lag das
sicherlich nicht an der ersten bemannten Mondlandung. Aber es lag u. a. an der ökonomischen Überlegenheit der USA und des westlichen Systems
überhaupt. Wissenschaftliche Erfolge jedenfalls - das wissen wir jetzt - sind ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Potenzen einer Nation oder einer
Gruppe verbündeter Nationen. Und so ist es kein Zufall, dass auch in der Grundlagenforschung die USA dem Rest der Welt mindestens eine
Nasenlänge voraus sind, weil sie vor wirtschaftlicher Stärke nur so strotzen.
Doch sogar hier ist man - sieben Jahre [bezieht sich auf das Jahr 2000] sind mittlerweile verstrichen - trotz allem an Grenzen gestoßen: Das gewaltigste
Projekt aller Zeiten der Teilchenphysiker konnte nicht realisiert werden. Der Bau des sogenannten SUPERCONDUCTING SUPER COLLIDER
(ein gigantischer Teilchenbeschleuniger) wurde Ende 1993 vom amerikanischen Kongress gestoppt, nachdem bereits eine Milliarde Dollar (so etwa) in den texanischen Sand gesetzt wurde.
Von Karl Popper erfuhren wir - das liegt nun auch schon zehn [bezieht sich ebenfalls auf das Jahr 2000] Jahre zurück - (aus einem Interview der Zeitung
DIE WELT am 29.01.1990):
Ich bin begeisterter Anhänger der Wissenschaft. Physik und Biologie sind für mich großartige Wissenschaften, und ich halte die meisten
Physiker und Biologen für sehr gescheit und gewissenhaft. Aber: Sie stehen unter Druck. Diesen Druck gibt es erst seit dem Zweiten
Weltkrieg, seitdem so viel Geld für die Wissenschaft ausgegeben wird. Wer eine vorherrschende Mode angreift ist ,
draußen? und erhält - vielleicht - kein Geld mehr. Das ist alles sehr traurig. Ja, die Wissenschaft ist leider gefährdet - ihre ursprüngliche Reinheit ist, leider, nicht mehr selbstverständlich.
Alles alte Geschichten? Das mag stimmen, aber hochaktuell sind sie.
22.10.2000
In welchem Verhältnis stehen anwendungsorientierte Forschung und Grundlagenforschung zueinander?
Von C. F. v. Weizsäcker erfuhren wir schon vor einem halben Jahrhundert (aus einem 1950 gehaltenen Vortrag vor der Hauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft):
Wie kommt die reine Forschung dazu, derart der Praxis neue Wege zu öffnen? Ich möchte behaupten: nicht obwohl,
sondern weil sie auf unmittelbare Anwendungen keine Rücksicht nimmt. Es ist eines der Vorurteile unserer Zeit, man
erreiche ein Ziel am besten, wenn man ihm mit Scheuklappen zustrebe. Das Auge, das starr auf einen Punkt gerichtet ist,
kann nicht in Ruhe den Horizont absuchen. Das scheinbar Überflüssige ist oft das Notwendigste. Die Gelassenheit, die
Muße, die liebevolle Hingabe an ein Ziel, das nicht um eines Nutzens willen verfolgt wird, gehören zu den wichtigsten
Voraussetzungen für den schöpferischen Vorgang, in dem Neues gefunden wird. Das reine Hingegebensein an die
Erkenntnis ist die entscheidende Vorbedingung der Forschung gerade auch dann, wenn man ihre Anwendung wünscht.
Diese Sätze wurden formuliert, als man noch recht optimistisch in die Zukunft zu blicken schien. Zwar waren erst fünf Jahre nach dem Krieg
verstrichen; und der Aufbau des zerstörten Städte begann oder war bereits im vollen Gange. Die Gründung der "beiden deutschen Staaten" lag erst
ein Jahr zurück. Die "Wirtschaftswunder-Ära" der Bundesrepublik setzte wohl fünf Jahre später ein. Es handelte sich um eine Zeit, an die ich mich nicht bewusst erinnern kann.
Ebenfalls fünf Jahre später hörte ich, dass Albert Einstein (wer eigentlich war das?) in Amerika (wo liegt das eigentlich?) gestorben sei. Daran erinnere ich mich tatsächlich noch.
Erst viel später erfuhr ich - wann genau, das kann ich nicht mehr sagen -, dass besagter Einstein einen gewichtigen Beitrag geleistet hatte auch für
die Schaffung der Atombombe. Eine recht einfach scheinende Formel wies indirekt den Weg dorthin. Und hier sei Otto Hahn erwähnt, dem 1938 - zusammen mit Lise Meitner und Fritz
Strassmann - der Nachweis der Urankern-Spaltung gelang.
Irgendwie haben wir es mit wissenschaftlichen Entdeckungen zu tun, die ausschließlich das Ergebnis
reiner Forschung waren. An irgendeine "praktische Nutzanwendung" war seinerzeit nicht zu denken. Keiner der beteiligten Wissenschaftler (Hahn
war Chemiker, das Foto zeigt ihn 1967 bei der Einweihung eines Forschungsreaktors) konnte zum Zeitpunkt der wesentlichen theoretischen (Einstein 1905: Spezielle
Relativitätstheorie) und experimentellen (Hahn 1938: Kernspaltung) Entdeckungen auch nur ahnen, welche Folgen ihre Forschungsergebnisse haben würden.
Wie dem auch sei, noch Mitte des 20. Jahrhunderts hatte man (ich erwähnte es schon) gute Gründe, bezüglich der Wissenschaften recht optimistisch in die Zukunft zu schauen - trotz
aller negativen Begleiterscheinungen und trotz der Tatsache des möglichen - und tatsächlichen - militärischen Missbrauchs wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Auch andere physikalische Forschungsgebiete - Stichwort Halbleiterphysik - zeigten praktische Auswirkungen: Die Transistoren begannen die
Elektronenröhren nach und nach abzulösen. Und die Mikroelektronik in ihrer heutigen technisch perfektionierten Erscheinungsform ist immer noch nicht an ihre endgültigen Grenzen gestoßen.
Aber bitte beachten: Alle genannten - und auch nicht erwähnten - technischen Realisierungen, aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, basieren
auf physikalischen Erkenntnissen des 19. Jahrhunderts und jenen Forschungsergebnissen, die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts (so etwa)
gewonnen wurden. Andererseits vervielfachte sich der personelle sowie materielle Aufwand in der Grundlagenforschung im bzw. nach dem Zweiten
Weltkrieg: Aus den Forschungsprojekten einzelner "Freaks" entstanden ganze "Subkulturen". Hatte das Forschungsgerät des beginnenden 20.
Jahrhunderts noch Platz in einem kleinen Labor oder auf einem Arbeitstisch, so misst man beispielsweise den Umfang der gigantischen Beschleuniger
der heutigen Teilchenphysiker nach Kilometern. Hier geht es um die reine Erkenntnisgewinnung.
Was aber wissen wir tatsächlich mehr? Oder - genauer - was haben wir tatsächlich mehr begriffen?
Die "zielgerichtete Forschung" steht nicht wesentlich besser da. Nein, ich meine nicht die Halbleitertechnologie und die LASER-Technik
beispielsweise. Hier gibt es - und auf vielen anderen Gebieten ebenfalls - gewaltige technische Fortschritte!
Auf der Basis längst vorhandener Erkenntnisse jedoch.
Und die wohl bislang gewaltigste wissenschaftlich-technische Fehleinschätzung betrifft die gesteuerte Kernfusion. Noch Mitte der 50er Jahre des
vergangenen Jahrhunderts (daran erinnere ich mich sogar
persönlich) verlagerte man die technische Nutzanwendung auf das Ende eben jenes
Jahrhunderts: "In 30 bis 40 Jahren ist es geschafft". Dieser Zeitraum ist längst verstrichen, doch an der Prognose "In 30 bis 40
Jahren ist der Durchbruch sicher" hat sich fast überhaupt nichts geändert.
Wie auch immer man zu all dem steht, etwas Nachdenklichkeit wäre durchaus angebracht. Die angewandte Forschung und die
Grundlagenforschung entwickelten im Rahmen ihrer Institutionen eine Eigendynamik, die durchaus beachtenswert ist.
14.01.2001
Hier geht es nicht um Rinder und BSE, sondern um Mäuse. Das ist nicht ganz so schlimm. Sollte man denken.
Und sie laufen! Nass und nässer wird’s im Saal und auf den Stufen: Welch entsetzliches Gewässer! Herr und Meister! hör mich rufen! - Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd’ ich nun nicht los. Goethe, aus "Der Zauberlehrling"
Da passieren viele unerfreuliche Dinge auf dieser Welt. Auch Katastrophen und andere Unglücksfälle ereignen sich relativ oft und erfreuen das
wissbegierige Publikum. Die Zeitungen sind voll davon. Und das Fernsehen bringt das alles in schönen bunten und oft auch aktuellen Bildern. Ebenso
die Katastrophenfilme Hollywoodscher Prägung kommen beim Publikum ausgezeichnet an.
Viele Ereignisse dieser Art - von der Massen-Karambolage auf der Autobahn bis hin zum spektakulären Flugzeugabsturz - sind entweder auf technische Fehler und/oder auf
menschliches Versagen zurückzuführen. Da übersieht der Lokführer - zum Beispiel - ein wichtiges Signal oder der
Pilot erwischt - versehentlich - die falsche Landebahn oder ein Stück Eisen liegt auf der Startbahn herum und verursacht einen fatalen Reifenschaden
mit noch fataleren Folgen bei einem High-Tech-Flieger oder...
Es geht sogar noch spektakulärer: Der Reaktorunfall im Jahre 1986 in Tschernobyl ist das wohl berühmteste Beispiel dieser Art. Dagegen nehmen
sich lokale Katastrophen vergleichsweise harmlos aus. Irgendeine Explosion in einer Fabrik für pyrotechnische Artikel oder in einem Kraftwerk
richtet zwar gewaltigen Schaden an und sorgt unter Umständen für unermessliches Leid, aber dieser Schaden ist - und das ist nicht zynisch gemeint -
lokal abgegrenzt. Einige Kilometer vom Unglücksort entfernt ist die Welt noch ziemlich in Ordnung.
Dies gilt natürlich nicht mehr für "Störfälle" (schon dieses Wort ist eine zynische Verniedlichung), bei denen radioaktives Material und/oder
hochgiftige Stoffe mit im Spiele sind.
Über "richtige" Naturkatatstrophen gäbe es auch einiges zu sagen. Ich lasse dies sein, da es ein zu vielschichtiges Thema ist.
Wie auch immer, menschliches Versagen spielt bei der Verursachung von Unfällen jeglicher Art eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Die Möglichkeiten der menschlich verursachten Pannen (dpa-Meldung vom 11.01.2001, nachzulesen beispielsweise bei rp-online) wurde um eine
weiter Variante "bereichert". Hier ein Teil des Textes von rp-online:
London (dpa). Gen-Forscher haben aus Versehen ein für Mäuse absolut tödliches Virus hergestellt. Dies zeige die wachsende Bedrohung
für den Menschen, dass Biotechniken von skrupellosen Regierungen oder Terroristen zur Schaffung gefährlicher Bio-Waffen eingesetzt
werden könnten, schreibt das britische Magazin "New Scientist" (Nr. 2273, S. 4) in seiner neuesten Ausgabe. Die australischen
Wissenschaftler wollten mit Hilfe gentechnischer Eingriffe ein Virus schaffen, das die Vermehrungsrate von Mäusen dämpft. Im Labor entstand jedoch ein für die Tiere absolut tödliches neues Virus.
Über den Missbrauch wissenschaftlicher Erkenntnisse - durch wen auch immer - möchte ich an dieser Stelle nicht berichten. Das wäre ein Thema für sich. Doch an dem Satz
“Gen-Forscher haben aus Versehen ein für Mäuse absolut tödliches Virus hergestellt.”
beruhigt mich keineswegs die Tatsache, dass dieses Virus nur für Mäuse absolut tödlich ist.
Und noch mehr als der mögliche bewusste Missbrauch bestimmter Forschungsergebnisse beunruhigt mich an dieser Meldung die konkrete Ursache des Mäuse-Sterbens: "aus Versehen
".
Und, weil es so schön zum Thema passt: Da strahlte ein privater Fernsehsender am Sonnabend (13.01.2001) den Hollywood-Streifen von 1995 Outbreak: Lautlose Killer
aus. Hier ging es natürlich nicht nur um ein paar Mäuse (obwohl mit solchen Filmen sicherlich eine Menge "Mäuse" zu
verdienen sind). Sondern die Vereinigten Staaten (die von Amerika - Europa ist hoffentlich noch(?) nicht so weit) waren bedroht: Von einem
Killervirus, das allerdings aus Afrika importiert und noch nicht im Labor eines korrupten Wissenschaftlers im Auftrag einer noch skrupelloseren Regierung "selbst gebaut" wurde.
Na ja, Hollywood! Die Traumfabrik lebt ja unter anderem von Katastrophen - echten und erfundenen.
Da können wir uns doch ganz beruhigt zurücklehnen, weil wir ja "absolut sicher" sein dürfen, dass uns ein "molekularbilogisches Tschernobyl" auf
ewig erspart bleiben wird.
Oder?
Ach so: Um Mäusepopulationen unter Kontrolle zu halten, gibt es ein altbewährtes, weniger risikobehaftes sowie ökologisch fast unbedenkliches "Mittel": Die Katzen
. Diese sind, im Gegensatz zu den Viren, sogar mit dem bloßen Auge zu erkennen. Und ein weiches Fell haben die. Und wenn man sie streichelt, beginnen sie zu schnurren...
21.01.2001
Wetten können durchaus spannend sein. Aber den Ausgang einer Wette sollte man schon erleben dürfen.
Das letztere nahm ich bisher an. Da gibt (mittlerweile “gab”) es eine beliebte Fernsehsendung einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt. Um
irgendwelche Wetten soll es dort gehen. Dies kommt anscheinend beim Publikum sehr gut an. Seit fast zwei Jahrzehnten. (Am 20.01.2001 sollen es
mehr als 15 Millionen Zuschauer gewesen sein.) Wetten sind dann einigermaßen spannend, wenn deren Ausgang halbwegs ungewiss ist. Sonst hat das Ganze ja keinen Sinn.
Da schrieb - dies liegt breits ein paar Jahre zurück - der "Vater der Si-Fi-Literatur", der französische Schriftsteller Jules Verne (1828-1905) u.a.
einen Roman, in dem es ebenfalls um eine Wette ging. Der Held dieses Romans, Phileas Fogg, wettete, dass er es schaffen würde, mit den damals
üblichen Verkehrsmitteln - wir schreiben das Jahr 1872 - in 80 Tagen die Erde zu umrunden. Und er schaffte es tatsächlich.
Diese Wette allerdings würde heutzutage niemanden mehr sonderlich beeindrucken. Schon der erste Sputnik benötigte 1957 nicht
80 Tage sondern 100 Minuten etwa. Die tatsächliche technische Entwicklung hat somit in relativ kurzer Zeit die blühende Phantasie eines phantasiereichen Autors überflügelt.
Also: Der Ausgang von Wetten muss ungewiss sein; doch auf das Ergebnis sollte man nicht allzu lange warten müssen. Sonst wird die Wette ja
sinnlos. 80 Tage sind vielleicht noch akzeptabel.
Die Zeit der verrückten Wetten scheint längst noch nicht vorüber zu sein. So finden wir bei rp-online folgende auf den 15.01.2001 datierte Meldung:
Chicago (pte). Kann der Mensch dank des medizinischen Fortschritts 150 Jahre alt werden, oder ist spätestens nach etwa 130 Jahren das
Leben zu Ende? Darüber haben zwei amerikanische Wissenschaftler eine Wette abgeschlossen, deren Sieger am 1. Januar 2150 ermittelt werden soll.
An dieser Wette stört mich ungemein, dass ich auf das Ergebnis satte 150 Jahre warten muss. Da es aber höchst unwahrscheinlich ist, dass ich über
200 Jahre alt werde, kann ich die Sache wohl vergessen.
Beide Wett-Kontrahenden vertreten - natürlich - verschiedene Standpunkte. Der eine sagt, mehr als 130 Jahre sind grundsätzlich nicht drin.
Der andere hingegen behauptet, dass dank neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse - auch den Alterungsprozess betreffend - eben jener Alterungsprozess verzögert werden könnte.
Das mit dem "wissenschaftlichen Fortschritt" allerdings ist eine recht undurchsichtige Angelegenheit. Einerseits konnte gerade im 20. Jahrhundert der
Beweis erbracht werden, dass - fast - nichts unmöglich ist. Andererseits wächst die Gefahr, dass mit immer größerer Einflussnahme unsererseits die
möglichen Nebeneffekte sich unserem Einfluss gänzlich entziehen, besonders dann, wenn in das biologische Geschehen auf noch nicht überschaubare Weise direkt
(gentechnisch) eingegriffen wird. (vgl. Der versehentliche Mäusetod).
Einerseits würde ich mich durchaus dafür interessieren, wie es in 150 Jahren auf dieser Welt so zugehen wird. Der Ausgang oben zitierter Wette
wäre in diesem Zusammenhang ziemlich drittrangig.
Andererseits: Was sind schon 150 Jahre?!
Für einen Menschen allerdings eine - meiner Überzeugung nach - unüberbrückbare Zeitspanne. Selbst wenn es gelänge, das individuelle Lebensalter
signifikant zu verlängern, was an echter Lebensqualität wäre damit in der Tat gewonnen? Und welche gesellschaftlichen Auswirkungen hätte dies alles?
Wäre man überhaupt in der Lage - körperliche und geistige Aktivität vorausgesetzt -, mit den sich verändernden gesellschaftlichen Verhältnissen fertig zu werden?
Wer sich lediglich mit einzelnen wissenschaftlichen Problemen (dieser Größenordnung) befasst, herausgelöst aus sämtlichen Zusammenhängen,
macht - dies meine Überzeugung - schwerwiegende Fehler.
Meine - sehr egoistisch geprägte - Hoffnung: Ich erlebe den - vielleicht - irgendwann einmal
realisierten Wahnsinn nicht mehr.
Meine - nicht ganz so egoistische - Hoffnung: Die "Menschheit" hat bisher noch alle Widrigkeiten überlebt. Und "Weltuntergangs
-Propheten" waren bisher immer noch de facto widerlegt worden.
Aber eine Wette, die zweite Hoffnung betreffend, möchte ich nicht abschließen. Schon weil ich deren Ausgang nicht erleben werde.
01.02.2001
Von wissenschaftlicher Seite werden wohl immer noch die Fähigkeiten der Tiere unterschätzt. Oder: Welche Probleme verbergen sich
hinter arbeitsteiligen Forschungsprozessen?
Aus einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Tübingen vom 29.01.2001 ist zu erfahren (Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft):
Tübinger Wissenschaftler entdecken die für Selbst-Bewusstsein verantwortlichen Hirnregionen.
In den letzten Jahren hat die empirische Erforschung des menschlichen Bewusstseins einen enormen Aufschwung erlebt. Eine der
Kernfragen bezieht sich dabei auf das Vorhandensein und die Bedeutung von Selbst-Bewusstsein und deren neuronalen Grundlagen.
Die Unterscheidung zwischen Selbst und Fremd ist eine biologische Notwendigkeit aller Lebewesen. Andererseits ist die Fähigkeit, über
sich selbst und seine eigene Wahrnehmungen zu reflektieren, eine der höchsten kognitiven Leistungen.
Als ein Test für reflexives Selbst-Bewusstsein gilt der in den 70er Jahren von G. Gallup und B. Amsterdam durchgeführte 'Spiegel-Test'.
Nur Kleinkinder ab dem 18. Lebensmonat und erwachsene Schimpansen erkennen sich selbst im Spiegel. Diese Fähigkeit wird auf das Vorhandensein von Selbst-Bewusstsein zurückgeführt. (...)
Die Ergebnisse zeigen einen dramatischen Unterschied in der neuronalen Verarbeitung des eigenen Gesichts im Vergleich zu einer
emotional nahestehenden Person. An der Selbsterkennung sind stammesgeschichtlich sehr junge Areale (linker Frontallappen), die mit der
Fähigkeit zur Selbstreflexion in Verbindung gebracht werden, und sehr alte (limbisches System), das vielleicht mit dem diffusen Gefühl des
'Selbst' oder 'Ich' zusammenhängt, beteiligt.
So weit ich es recht verstanden habe, erfordert dass Sich-Selbst-Erkennen stammesgeschichlich "sehr junge" Hirnareale, welche zudem bereits lokalisiert
werden konnten. Und: "Nur Kleinkinder ab dem 18. Lebensmonat und erwachsene Schimpansen erkennen sich selbst im Spiegel."
Letzteres ist ein Kriterium für die mögliche Existenz des Selbst-Bewusstseins.
Als Laie auf diesem Gebiet habe ich dem nichts hinzuzufügen und kann die genannten Ergebnisse in keiner Weise bewerten.
Die Angelegenheit wäre damit eindeutig und klar und würde kaum noch Fagen aufwerfen, hätte eine andere Pressemmeldung, (vollständiger Text: rp-online
, zufällig ebenfalls vom 29.01.2001) nicht doch für einige Verunsicherung gesorgt:
Hamburg/Bochum (dpa/lnw). Meeresvögel können auch im Orkan im Anflug auf eine Felswand zentimetergenau das Loch ihrer
Behausung treffen und hineinschlüpfen. ... Es ist aber auch bekannt, dass manche darüber hinaus klug sind. Was sie alles können,
haben erst neue wissenschaftliche Untersuchungen aufgezeigt, die sich vor allem mit Rabenvögeln befassen.
Erstaunliche Ergebnisse haben die Biopsychologen der Ruhr- Universität Bochum als Zieheltern von acht kleinen Elstern erzielt, die zu den
Rabenvögeln gehören. Der Ruf dieser ja auch sprichwörtlich schlauen Vögel wurde mehr als bestätigt: Elstern können schon sehr früh
gezielt nach einem Gegenstand suchen, den man vor ihnen versteckt. Sie erreichen dabei eine Leistungsstufe, die sonst nur Menschen,
Menschenaffen und Hunde erreichen. Aber nicht nur das: Sie scheinen sich auch selbst im Spiegel zu erkennen. Das Wissenschaftsmagazin
der Universität, "Rubin", berichtet darüber in seiner neuesten Ausgabe. (...)
Zu den hervorstechenden Eigenschaften der Elstern gehört auch ein komplexes Sozialverhalten. So erkennen sie auch ihre eigenen
Artgenossen individuell. Ausgeklügelte Bochumer Experimente mit einem Spiegel machten zudem einen erstaunlichen Grad von Selbstwahrnehmung deutlich.
Im Unterschied etwa zu Wellensittichen, die auch nach Jahren einen Spiegel in ihrem Käfig noch als Artgenossen behandeln, zeigten sich
die Elstern dem Spiegelbild gegenüber neugierig und erkundend. Das selbstbezogene Verhalten markierter Elstern vor einem Spiegel legt
den Schluss nahe, dass sie im Spiegelbild ihren eigenen Körper wahrnehmen. (...) Ein Grund dafür, warum Vögel so lange unterschätzt wurden, ist,
dass der Aufbau ihres Gehirns sich sehr von dem der Menschen und Säugetiere unterscheidet. [Hervorhebung W.N.] Vermutlich werden die Leistungen, die hier von der Großhirnrinde vollbracht werden, im
Vogelgehirn von anderen und anders zusammengeschalteten Instanzen ausgeführt. Es ist damit ebenfalls sehr hoch organisiert.
Die Wissenschaftler in Tübingen haben bestimmte Ergebnisse erbracht. Die von der Uni Bochum aber ebenfalls. Die Forschungsergebnisse für sich betrachtet
besitzen selbst schon einen bestimmten Wert im Sinne mehr oder weniger neuer Erkenntnisse.
Dieses "mehr oder weniger" bezieht sich darauf, dass m. E. die Fähigkeiten der Tiere im allgemeinen und die der Vögel im besonderen bislang von
wissenschaftlicher Seite oft unterschätzt wurden. Die "neuen Erkenntnisse" weisen auf die Tatsache hin, dass man endlich versucht, altbekannte
Fakten der exakten wissenschaftlichen Analyse zugänglich zu machen.
Doch wie soll man - und dies besonders als Außenstehender - die Erkenntnisse beider Forschergruppen im Zusammenhang bewerten?
Tatsache bleibt: Die Ergebnisse beider Gruppen sind sicherlich wahr, wenngleich zum Teil widersprüchlich erscheinend. Kein Zweifel. Aber: Beide Wahrheiten sind eben nur Teil
-Wahrheiten!
Welche Fragen jedoch - für die künftige Forschung auf den Gebieten der Verhaltensforschung,
Psychologie, Hirnforschung etc. - ergeben sich aus den genannten Fakten, wenn man sie zusammen betrachtet?
Der Zwiespalt: Arbeitsteilige Forschungsprozesse zum einen (anders geht es anscheinend nicht) und die Erkenntnis, dass zum
anderen die Ergebnisse der arbeitsteiligen Forschungsprozesse durchaus einer "zusammenfassenden weiterführenden Interpretation" bedürfen.
18.02.2001
Irgendwie heißt es, es gibt keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten. Ich befürchte, das stimmt sogar.
Da tauchte in einem Diskussionsforum, um Physik geht es dort, folgender Eintrag auf:
Name: Peter Text: Hallo,
kann mir jemand - ohne komplizierte Formeln - anschaulich erklären, wie ein Funkgerät funktioniert und was genau eine Welle ist
(also sind das nun kleine Teilchen oder nicht?)? Danke. Viele Grüße
Peter
Das Dumme an dieser Angelegenheit ist, dass es unmöglich scheint, auf diese klare und eindeutige Frage, die alles andere als dumm ist, eine eindeutige und klare Antwort zu geben.
Doch der Reihe nach. "wie ein Funkgerät funktioniert", ist ganz so einfach zu erklären nun auch wieder nicht.
Was also sind "elektromagnetische Wellen"? Hier muss ich passen.
Aber ich konnte bereits - im Alter von 14 Jahren etwa - einige konkrete Erfahrungen machen. Schon als Kind und Jugendlicher interessierte ich mich
für alles, was mit Elektrizität und Radio zu tun hatte.
Die Materialbeschaffung für meine Basteleien war relativ unproblematisch, da sich in Kellern und auf Böden noch "Altlasten" in Gestalt ausgedienter
Volksempfänger und artverwandter Gerätschaften herumtrieben.
Und so war mein allererstes Gerät, welches tatsächlich funktionierte, und als aktives Bauelement eine Radioröhre enthielt, ein
Hochfrequenzgenerator im UKW-Bereich. Und als Nebeneffekt - ich hatte bis dato keine Ahnung davon - strahlte dieser Oszillator, völlig
unkontrolliert allerdings, elektromagnetische Wellen aus, die im Radio im Nebenzimmer empfangen werden konnten.
Nach "intensivem Literaturstudium" und einigen technischen Verbesserungen inklusive Antenne, war es mir gelungen, die Reichweite auf
“gigantische” 1000 Meter (etwa) zu erhöhen. Auch hatte ich das Problem der Frequenzmodulation in den Griff bekommen, und konnte somit mein
erstes "Rundfunkprogramm" ausstrahlen. Das neue Tonbandgerät (in meiner Klasse war ich damals der Einzige, der einen solchen
"Luxusgegenstand" vorzuweisen hatte) lieferte die aktuellen Hits.
Natürlich wusste ich, dass ich mich jenseits der Legalität bewegte. Und somit stellte ich, zum Leidwesen meiner Kumpels aus der näheren
Umgebung, mein "Super-Rundfunkprogramm" nach kurzer Zeit wieder ein. Ich verspürte keine Lust, mir überflüssigen Ärger aufzuhalsen, zumal es
schon Informationen aus der Nachbarschaft gab, da in den Nachmittagsstunden der Fernsehempfang oftmals aus "unerfindlichen Gründen" gestört wurde.
Also, wie ein Funkgerät funktioniert, wusste ich. Ich hatte ja einen wesentlichen Teil davon, den Sender, mit recht primitiven Mitteln bereits realisiert.
Natürlich wusste ich überhaupt nichts!
Aber diese meine Unwissenheit hinderte mich keineswegs daran, mir ein gewisses technisches Know-How anzueignen und von den Erfahrungen der
Generationen von Physikern und Technikern zu partizipieren, ohne diese Erfahrungen unbedingt nachvollziehen zu müssen.
Was also sind elektromagnetische Wellen? Soll ich hier einen Hinweis auf die "Maxwellschen Gleichungen" ins Feld führen?
Das aber ist keine Antwort auf Peters Frage.
Es kommt aber noch böser: "also sind das nun kleine Teilchen oder nicht?"
Hier kann ich nur sagen: Voll erwischt! Immer auf das Schlimme!
Wollte ich auf diese Frage eine einigermaßen korrekte und erschöpfende Antwort geben, so müsste ich sehr weit ausholen und zumindest die Geschichte der Elektrodynamik und Quantenphysik andeutungsweise aufrollen. Und für den Außenstehenden wäre dies nur sinnlose "Eierei" - und
äußerst langweilig außerdem. Und ohne Formeln läuft da fast überhaupt nichts!
Fazit: Ich bin - leider! - nicht in der Lage, auf obige "dumme" Frage eine befriedigende, korrekte und halbwegs sinnvolle Antwort zu geben!
Ich bin mir sicher, man weiß erst dann wirklich etwas, wenn man in der Verfassung ist, auch "dumme" Fragen zu beantworten.
Und: Die Anzahl der "dummen" Fragen allerdings, dies mein persönlicher Eindruck wenn ich die Entwicklung der Physik verfolge, scheint immer größer zu werden.
Was weiß man überhaupt, und was sind nur "technologische Handlungsvorschriften", die es uns erlauben, dieses - vermeintliche -
Wissen mehr oder weniger erfolgreich anzuwenden?
21.05.2001
Der Bundespräsident fasste ein heißes Eisen an. Man könnte dieses Thema auch Wissenschaft und Verantwortung nennen.
Hier ein Auszug aus der Rede des Bundespräsidenten in der Staatsbibliothek zu Berlin vom 18.05.2001 (Für einen Fortschritt nach menschlichem Maß):
Fast täglich erreichen uns atemberaubende Meldungen aus Wissenschaft und Forschung. Gerade
die so genannten Lebenswissenschaften lassen uns staunen, in welche Bereiche der Natur wir
vordringen können. Lange schon hat uns der Fortschritt in Biologie und Medizin nicht mehr so
stark bewegt wie heute. Krankheiten, die wir für unbesiegbar gehalten hatten, scheinen heilbar zu
werden. Genetische Defekte lassen sich möglicherweise korrigieren. Neue Pflanzensorten sollen
den Hunger ganzer Weltregionen stillen. Heute scheinen Menschheitsträume wahr zu werden. Wir werden zu Mitspielern der Evolution. Gleichzeitig werden Ängste wach.
Wir erleben ja höchst Widersprüchliches: Einerseits hören wir, schon bald solle der erste Mensch
geklont werden. Und auf der anderen Seite sind wir nicht imstande, eine seit Jahrhunderten bekannte Tierseuche in den Griff zu bekommen.
Ob "uns atemberaubende Meldungen aus Wissenschaft und Forschung" täglich erreichen oder ob "Menschheitsträume wahr" werden, sei
dahingestellt. Doch es gab schon andere Menschheitsträume, auf die Johannes Rau konsequenterweise eingegangen ist:
Wenn ich von manchen Verheißungen angesichts der großen Möglichkeiten der Lebenswissenschaften höre, dann erinnert mich das an die
Euphorie, die viele in den fünfziger und sechziger Jahren erfasst hatte. Damals ging es um die friedliche Nutzung der Atomenergie, die
auch ich lange Jahre für den richtigen Weg gehalten habe. Damals träumten viele - nicht nur Wissenschaftler - von nie versiegender Energie zu konkurrenzlos niedrigen Preisen.
Die Atomenergie sollte alles möglich machen: Wüsten zum Blühen bringen, Autos zum Fahren und sie sollte sogar das Sprengen für den
Straßenbau erleichtern. Heute staunen die meisten über so viel Naivität und über so viel schlichten Glauben an den Fortschritt.
Als der Deutsche Bundestag am 3. Dezember 1959 das Gesetz über die friedliche Nutzung der Kernenergie verabschiedete, hat sich ein
Abgeordneter der Stimme enthalten. Alle anderen haben dafür gestimmt. Die Kernenergie zu nutzen, das erschien als das
Selbstverständlichste von der Welt. An die Brisanz vieler Probleme, zum Beispiel der Entsorgung, hat man zu wenig gedacht und andere
hat man sich gar nicht erst vorstellen können. Das sollte uns ein wenig skeptisch machen, wenn neue Technologien das Paradies auf Erden zu versprechen scheinen.
Bekanntermaßen plant man nunmehr den Ausstieg aus der Kernenergie. Auch wenn dieser Prozess sich über Jahrzehnte hinziehen wird [Nun ja, dieser
Ausstieg vollzieht sich in Deutschland wesentlich schneller. Nachtrag 2018.], so ist zunächst die politische Entscheidung, es überhaupt zu tun, äußerst
beachtenswert, wie auch immer man die Modalitäten dieses Ausstieges bewerten mag. Die Risiken der Kernenergie (siehe auch die Artikel Kernenergie (I) und Kernenergie (II)) sind hinreichend bekannt. Sie waren
grundsätzlich bereits bekannt, als sich Wissenschaftler und Politiker
noch eine ziemlich rosarote Zukunft für die Kernenergie ausmalten. Aus wissenschaftlicher Sicht gab es keine wirklich unvorhersehbaren
Überraschungen. Die eigentlichen Probleme zeichneten sich später auf technischer, gesellschaftlicher und menschlicher Ebene ab. Und noch etwas:
Radioaktivität, so sie denn in einem größeren Umfang freigesetzt wird (bei einem Reaktorunfall beispielsweise) lässt sich nicht verheimlichen.
Radioaktive Strahlung ist nachweis- und messbar.
Und was die Genforschung und -technologie betrifft, so ist deren Nutzen sicherlich abschätzbar. Es gibt genügend positive Beispiele dafür. “Neue Pflanzensorten sollen den Hunger ganzer Weltregionen stillen.”
Nun ja, das darf man ruhigen Gewissens bezweifeln, da wissenschaftliche Erkenntnisse sowie technische und industrielle Realisierungen noch nie
gesellschaftliche Probleme gelöst haben. Globale Probleme "der Menschheit" schon gar nicht. Und Appelle an Vernunft, Verantwortung und
Gewissen taugen bestenfalls dazu, das Gewissen derjenigen zu beruhigen, die solche Appelle "an die Menschheit" richten, oder - ein wenig bescheidener - an die Nation.
Doch was die Risiken der neuen Forschungen und Technologien angeht, so kann man hier überhaupt noch nichts eingrenzen. Ich persönlich habe da
ein "ungutes Gefühl". Doch das ist irrational! Was zählen schon subjektive Vermutungen? Es zählen Fakten!
Die Fakten im Zusammenhang mit der Kernenergie sind - da hat diese Technologie einen gewissen Vorsprung - bekannt.
Und außerdem: Wer wird - moralisch und juristisch - verantwortlich gemacht, wenn etwas schief geht? - Dazu in einem der nächsten Beiträge mehr.
Das Stichwort wird lauten: Contergan. Auch hier war man schlauer - hinterher. Der Preis für diesen Erkenntnisgewinn jedoch war sehr hoch.
26.05.2001
Aus Erfahrung wird man klug? Es gibt aber Erfahrungen, auf die man durchaus verzichten kann
Wo andere Menschen Arme haben, habe ich rechts nur einen kurzen Armstummel mit drei Fingern
und links nur einen kleinen Finger, direkt an der Schulter. Ich bin - so nennt das der Volksmund nun mal - ein "Contergan-Kind", geboren 1961.
Diese Sätze stammen von Elke Klink. Sie ist ehrenamtliche Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Contergan-Geschädigten
in Köln und Leiterin der dortigen Beratungsstelle.
Nun weiß man natürlich, dass die Anzeige der möglichen Risiken und Nebenwirkungen von Arzneimitteln - in oder auf der Packung (Gebrauchsinformation) - zum Medikament gehört wie die Verpackung selbst. Der Gesetzgeber will das so,
jedenfalls seit 1978. Um ein Maximum an Sicherheit zu gewährleisten, gibt es in der Bundesrepublik ein Arzneimittelgesetz, welches in der jetzigen
Form aber erst seit 1978 besteht (Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln - AMG). Der
Hersteller eines Medikamentes muss dessen Wirksamkeit und weitgehende Unbedenklichkeit nachweisen, also Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken exakt dokumentieren. Eine
Zulassungspflicht in diesem Sinne gab es vorher noch nicht. Arzneimittel wurden lediglich registriert.
Dieses Gesetz hat man nicht einfach deshalb eingeführt, weil es für alles nun einmal Gesetze geben muss, sondern darum, weil es sich aufgrund
bestimmter Erfahrungen offensichtlich erforderlich machte. Eine dieser Erfahrungen ist mit einem "völlig harmlosen und von Nebenwirkungen
absolut freien Beruhigungs- und Schlafmittel" verbunden. Besonders werdende Mütter konnten das frei erhältliche, also nicht rezeptpflichtige
Medikament unbedenklich einnehmen, um gewisse mit der Schwangerschaft einhergehende Beschwerden zu lindern. Der in diesem Präparat
enthaltene Wirkstoff wurde vom Hersteller Thalidomid genannt, und das Mittel selbst kam in der Bundesrepublik 1957 unter dem Namen Contergan
auf den Markt. Der Rest der Geschichte dürfte fast allgemein bekannt sein. Hört oder liest man das Wort Contergan, so fallen einen vielleicht die Begriffe
Arzneimittel-Skandal ein oder gar Justiz-Skandal. Oder: Wie werden Medikamente getestet? Oder: Wann ist man sicher,
dass eine neue Arznei wirklich das hält, was man sich von ihr verspricht? Dies betrifft die gewünschte Wirkung ebenso wie die unerwünschten, aber
bekannten und in ihrem Risiko abschätzbaren Nebenwirkungen.
Jetzt soll es nicht um die Be- oder gar Verurteilung der Verantwortlichen der Herstellerfirma
Grünenthal gehen, denen man vorwerfen kann - und
es auch getan hat -, dass sie zumindest fahrlässig gehandelt haben. Wie dem auch sei, hier einige Sätze des Contergan-Herstellers selbst:
Das Schlafmittel Contergan wurde 1957 nach Voruntersuchungen auf den Markt gebracht, die aus heutiger Sicht wenig umfangreich
waren, damals jedoch dem gängigen Standard entsprachen. Besonders verhängnisvoll war das scheinbare Fehlen von Toxizität. Da kaum
akute Toxizitätserscheinungen beim Labortier oder den Versuchspersonen aufgetreten waren, hielt man chronisch-toxische Schäden oder
gar Schäden an der werdenden Frucht für unmöglich - falls über fruchtschädigende Wirkungen überhaupt nachgedacht worden ist. 1957
fiel nämlich noch in eine Zeit, in der Untersuchungen der Einwirkung exogener Chemikalien auf die Entwicklung der Frucht noch mehr
unter akademischen Gesichtspunkten als unter dem Blickwinkel der Sicherheitsprüfung von Industrieprodukten unternommen wurden.
Wer diese Aussagen lediglich als Ausreden ansieht, macht es sich etwas zu leicht. Denn, hätte man das Medikament nach heutigen Standards
untersucht, so jedenfalls die Argumentation des Herstellers, wäre es möglicherweise gar nicht auf dem Markt erschienen. Doch andererseits gibt es
durchaus ernst zu nehmende Hinweise dafür, dass selbst nach heutigen Maßstäben jenes Präparat eine Chance gehabt hätte, zugelassen zu werden.
Die - auch im Nachhinein - durchgeführten Tierversuche bestätigten scheinbar die Harmlosigkeit des Medikamentes. Gerade der Wirkstoff
Thalidomid "bewies" im Tierversuch seine Unbedenklichkeit - für Tiere. Womit andererseits als erwiesen gelten darf, dass die Sache mit den Tierversuchen eben
nicht gänzlich unbedenklich ist. Wie auch immer, ohne den Contergan-Skandal hätte damals kein politischer Handlungsbedarf
bestanden, das Arzneimittelgesetz zu verschärfen. Dies hatte ohnehin noch lange genug gedauert. Selbst nach dem Ende des Contergan-Prozesses -
1970 - mussten weitere 8 Jahre vergehen, bis das neue Gesetz in Kraft trat.
Unser aller Sicherheit - hier im Kontext mit pharmazeutischen Erzeugnissen - stützt sich somit auf zwei tragende Säulen: Zum einen sind es die
wissenschaftlichen Methoden, die uns Sicherheit geben sollen und zum zweiten gibt es den Zwang von Seiten des Gesetzgebers, diese Methoden auch kompromisslos
anzuwenden, wobei weit gehende Vorschriften die Sicherheit des potenziellen Patienten sichern sollen. Die Nachweislast wird
dem Hersteller der Pharmaka übertragen. So jedenfalls die Theorie. Und was Aspekte der wissenschaftlichen Methoden angeht, hier einige
Aussagen des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie:
Aus den Ergebnissen der toxikologischen Untersuchungen müssen die potentielle Toxizität des Arzneimittels und seine gefährlichen oder
unerwünschten toxischen Wirkungen hervorgehen (...) Die Untersuchungen werden an verschiedenen Tieren und auch an Mikroorganismen, Zellkulturen und isolierten Organen gemacht. ....
...Die Wirksamkeit jedes neuen Arzneimittels muß am Menschen/Patienten nachgewiesen werden. Das setzt den Versuch am Menschen
voraus, ein Versuch, der nur unter besonderen Vorgaben durchgeführt werden darf.
Das alles geschieht streng nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden und nach noch strengeren Vorgaben des Gesetzgebers. Somit können wir
beruhigt in die Zukunft blicken, da uns ein zweites "Contergan-Desaster" erspart bleiben wird. - Man kann dies aber auch anders sehen. Hier eine
weitere Aussage des "Contergan-Kindes" Elke Klink:
Manchmal fragt man mich, ob ich nicht Haß in mir habe, auf die Menschen, die mir das angetan haben. Ich habe keine Haßgefühle, auch
nicht gegen die Firma Grünenthal, die Contergan hergestellt hat. So etwas kann immer wieder passieren, auch heute noch.
Es ist stets kurzsichtig, im Fall einer wie auch immer gearteten Katastrophe, lediglich vordergründig und ausschließlich nach den Schuldigen zu
suchen und letztlich auch zu finden - moralisch und/oder juristisch. Die Wurzeln sitzen tiefer. Die Möglichkeiten der Einflussnahme - auch auf das
Leben - haben sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht. Und je größer die Einflussnahme, um so größer die Risiken - gerade die noch nicht
abschätzbaren. Es fehlen einfach die Erfahrungen. - Nochmals der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie:
Die laufenden Forschungen lassen erwarten, dass in Zukunft Krankheiten wie Aids, Rheuma oder Arteriosklerose mit Hilfe der Gentechnik
ursächlich behandelt werden können. Und auch bei Krebs, Infektions- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden heute mit Hilfe der
Biotechnik Biopharmaka entwickelt, die herkömmlichen Medikamenten oft überlegen sind.
Sehr optimistische Erwartungen. Und welche Erfahrungen wohl werden gemacht werden müssen, um die mit diesen Technologien verbundenen
Risiken überhaupt abschätzen zu können? - Der Contergan-Fall liegt über 40 Jahre zurück, ist aber aktueller denn je.
Fast hätte ich es vergessen, da gab einen weiteren Fall. Der ereignete sich im Jahr 2001. Auch diesmal war es wieder ein deutscher Pharma
-Hersteller, der “ins Gerede” kam. Die Rede ist von Lipobay®, einem Cholesterinsenker aus dem Hause BAYER, der ab August vom Hersteller vom Markt genommen wurde.
02.06.2001
Der Mensch als Vollender der Schöpfung? - Keine besonders beruhigende Vorstellung
Die Überschrift dieses Beitrages ist nicht von mir erfunden, sondern der ein wenig hochtrabende Titel eines Buches. Das Buch über den Forschergeist am Schaltbrett der Natur
- so der nicht minder anspruchsvolle Untertitel - befasst sich mit vielen Fragen der naturwissenschaftlichen Forschung. Hier einige Themen (eine kleine Auswahl)
dieses Werkes: Der Code des Lebens - Krebs ist ein Druckfehler - Viren werden umgebaut - Darf Leben
angetastet werden? - Braucht der Mensch Ersatzteile? - Reparatur im Krankenhaus - Das Feuer der Sterne.
Alles aktuelle Themen. Bekanntermaßen werden einige der aufgeworfenen Fragen recht kontrovers diskutiert, so
als wüsste man nicht so recht, was man will und kann, soll und darf - oder womöglich auch nicht darf. Gerade die
Bio-Wissenschaften bieten Angriffspunkte für mancherlei Kritik. Vielleicht ist das gut so. Sachliche Kritik jedoch
setzt Sachkenntnis voraus. Diese Sachkenntnisse besitzen leider nur die Spezialisten und Fachexperten, die jedoch
wenig an Kritik interessiert sein dürften. Der "Rest der Menschheit" hat mit der Bewertung wissenschaftlicher
Erkenntnisse naturgemäß nun einmal große Probleme. In diesem Rahmen sollten - unter anderem - populäre
Darstellungen wissenschaftlicher Zusammenhänge eine wichtige Rolle spielen. Aber auch hier kann der Laie nicht
mit der Vermittlung nachvollziehbarer Erkenntnisse rechnen, weil dies einfach nicht möglich ist. Man kommt letztlich nicht umhin, zu glauben und zu vertrauen oder eben nicht zu glauben und den Darlegungen der Autoren -
wenn überhaupt - mit Argwohn zu folgen.
Anknüpfend an den Beitrag Contergan zitiere ich nochmals den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie:
Die Gen- und Biotechnik gelten heute als Leitwissenschaften des 21. Jahrhunderts: Die laufenden Forschungen lassen erwarten, daß in
Zukunft Krankheiten wie Aids, Rheuma oder Arteriosklerose mit Hilfe der Gentechnik ursächlich behandelt werden können. Und auch bei
Krebs, Infektions- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden heute mit Hilfe der Biotechnik Biopharmaka entwickelt, die herkömmlichen Medikamenten oft überlegen sind.
Diese Aussagen sind nicht absolut taufrisch, sondern ein paar Jahre alt. Auch folgende Argumente sind nicht völlig neu:
Die Ergebnisse von Studien und Branchen-Reports zu den Perspektiven der Biotechnik in Deutschland, prognostizieren, daß von der
Biotechnik bei der Bekämpfung von Infektions-, Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen entscheidende Fortschritte und neue
Therapieansätze erwartet werden. 1997 gab es weltweit schon über 600 genehmigte Gentherapien. Erste Therapieerfolge, zum Beispiel bei
der Behandlung einer erblichen Immunschwächekrankheit, liegen bereits vor; ...
Wie dem auch sei, ähnlich gelagerte Fragen kommen auch in dem von mir bereits zitierten Buch vor, dessen Anspruch, das nehme ich nun einmal an, ein aufklärerischer Anspruch ist. Eine vergleichbare Textpassage aus diesem Buch liest sich so:
Krebs ist ein Druckfehler [im genetischen Code, W.N.] Die Forscher treibt nicht nur die Neugier, wenn sie den Code entschleiern wollen. Sie sehen eine der größten Aufgaben vor sich, die sich
Menschen jemals gestellt haben. Dies ist die Bekämpfung des Krebses. Krebs entsteht, wenn eine Zelle (...) nicht mehr der Regulation des
Organismus unterworfen ist und sich nach ihren eigenen Gesetzen teilt und vermehrt. (...) Wenn es möglich ist, daß falsch codierte Zellen
ihren Bauplan auf gesunde Zellen übertragen, dann müßte man gesunde Zellen auch so aktiv machen können, daß sie den entarteten Zellen den richtigen Bauplan wieder übermitteln.
Hier einige weitere Sätze. Um den "Umbau" von Viren geht es. Ist eigentlich "ganz einfach":
Dieses Virus besteht aus einer winzigen Eiweißröhre (siehe Foto), in deren Innern sich ein RNS-Molekül
befindet. Mit flüssigem Phenol wurde die Eiweißhülle abgelöst. Übrig blieb der aus 6000 Buchstaben
bestehende genetische Code. Löscht man einzelne Buchstaben in diesem Text, dann kann entweder gar
keine neue Eiweißhülle aufgebaut werden, oder sie wird anders zusammengesetzt als die des
ursprünglichen Virus. Auf ähnliche Weise wurden auch andere Viren, etwa das der spinalen Kinderlähmung (...) verändert.
Als Viren-Umbau-Anleitung für den ambitionierten Heimwerker ist dies Beschreibung sicherlich nicht sonderlich
geeignet, aber immerhin recht anschaulich. Doch weiter im Text:
"Die Biochemiker fangen an, richtig Gott zu spielen", sagte ein Nobel-Laureat auf dem letzten Treffen
der Preisträger (...). Er saß in den Zuschauerreihen und konnte somit pointierter reden, als es einer der
beteiligten Forscher je gewagt hätte. Aber er drückte in diesem einen Satz die Gefühle des Unbehagens aus, die viele Menschen heute beschleichen.
Die "Gefühle des Unbehagens" kamen in einigen meiner Beiträge bereits mehrfach vor. Selbst der Bundespräsident konnte sich eines solchen Gefühls
nicht gänzlich erwehren - und wurde dafür auch schon heftig kritisiert. Um diesen Sachverhalt soll es jetzt nicht gehen. Es geht um das erwähnte
Buch. Dem mit der Materie vertrauten Leser, wird vielleicht aufgefallen sein, dass "irgend etwas nicht stimmt". Was also ist das ganz Besondere an diesem Buch (
Herbert L. Schrader, Der achte Tag der Schöpfung - Forschergeist am Schaltbrett der Natur)?
Es ist nicht vordergründig dessen Inhalt, sondern sein Alter! Mittlerweile kann dieses Buch auf ein für solche Publikationen geradezu biblisches Alter,
weil "völlig veraltet", verweisen: Erschienen ist es 1964(!) bei Ullstein.
Die Sache ist recht aufschlussreich. Deshalb werde ich nochmals, voraussichtlich im nächsten Beitrag, auf dieses Buch eingehen - und auf jenen
Zeitraum, der seit dessen Erscheinen verstrichen ist. "Der achte Tag der Schöpfung? - Forschergeist am Schaltbrett der Natur?" Nun ja, heutzutage formuliert
man dies sicherlich etwas bescheidener, ohne wirklich bescheidener zu sein.
Das Bild zeigt eine elektronenmikroskopische Aufnahme des Tabakmosaikvirus. Bereits 1956 begannen am
Max-Planck-Institut für Virusforschung in Tübingen Versuche unter anderem mit eben diesem Virus.
Doch zum Schluss die aktuellere und absolut positive Meldung (FOCUS 23/2001):
Treffsichere Therapie - Eine neue Generation von Krebskillern kuriert bislang unheilbare Tumoren - allen voran die in den USA zugelassene Pille Gilvec.
Endlich der Durchbruch! - Der wievielte "entscheidende Durchbruch in der Krebstherapie" ist das eigentlich schon? Ich habe nicht mitgezählt.
10.06.2001
Die Zukunft gibt fast unlösbare Rätsel auf - die Vergangenheit vielleicht nicht ganz so viel.
Unsere Zeit ist - so das allgemein anerkannte Vorurteil - eine sehr schnelllebige Zeit. Jedenfalls gilt dies für mehr oder weniger oberflächliche
Modeerscheinungen. Was gesten noch "in" war, ist heute schon "megaout" und morgen erinnert sich kein Mensch mehr daran. Und bei dem
"Wettlauf mit dem technischen Fortschritt" bleibt man als Konsument immer der Verlierer. Da kauft man einen nagelneuen PC - und drei Tage später
ärgert man sich über alle Maßen, weil ein vergleichbares System fast nur noch die Hälfte kostet. Die Hardware wird immer leistungsfähiger - und die
Software-Pakete auch. Somit gleicht sich alles wieder aus - jedenfalls was die Geschwindigkeit betrifft. Sieht man die Angelegenheit etwas
nüchterner, so fragt man sich nach dem Wert von immer umfangreicherer Software, deren Leistungsmerkmale man ohnehin kaum kennt, geschweige denn ausnutzt.
Die Entwicklung der Rechentechnik - um bei diesem Beispiel zu bleiben - nahm einen Verlauf, der wahrlich nicht vorhersehbar war. Selbst mit der
"Geburt" des Mikroprozessors war das Revolutionäre dieser Idee nicht kalkulierbar. Der erste (4-Bit-)Mikroprozessor - der "4004" - wurde 1971
von einer unbedeutenden kleinen Firma namens Intel vorgestellt. Auf ein paar Tausend Stück wurde damals der Bedarf pro Jahr geschätzt. Doch
hatte man sich gründlich geirrt. Einer der Pioniere von Intel, Ted Hoff, soll einmal bemerkt haben: ”Die eigentliche Erfindung des
Mikroprozessors war nicht so bedeutsam wie die schlichte Erkenntnis, dass es für so etwas einen Markt gab.” Ein unverhoffter Erfolg, wie es scheint.
Oftmals war es so, dass der wirklich große Erfolg sich geradezu unbemerkt einschlich. Dies gilt für die Technik
gleichermaßen wie für die Wissenschaft. Andererseits gibt es recht betagte Forschungen, deren Ziel sich immer
weiter in die Zukunft verschiebt. Als Beispiel sei das - bereits mehrfach erwähnte - Problem der
Energiegewinnung mit Hilfe der gesteuerten Kernfusion genannt. (Das Bild zeigt eine russische Versuchsanlage
zur Kernverschmelzung Mitte vorigen Jahrhunderts, etwa 1957). Die Zielstellung ist alt und die Versuche der
technischen Realisierung nicht minder. Dennoch scheint der Erfolg immer noch auf sich warten zu lassen. Seit
40 Jahren ungefähr. Auch in der theoretischen Physik hat man einige uralte Probleme zu lösen. Die einheitliche
Theorie ist bis jetzt immer noch Zukunftsmusik geblieben.
Einerseits werden, vom jetzigen Stand der Erkenntnis ausgehend, Hoffnungen geweckt. Insbesondere in der
Medizin sollen die Gen- und Biotechnologien Krankheiten ursächlich behandelbar machen. Andererseits lösen
gerade diese Technologien derzeit (warum eigentlich nicht schon vor zehn Jahren oder noch früher?) sehr
kontroverse Diskussionen aus. "Hoffnungen - Chancen - Risiken", so die Inhalte der Argumentations-Schwerpunkte. Nicht zuletzt über die damit
einhergehenden ethischen Probleme wird zurzeit lautstark nachgedacht. Eine neue "Ethik-Kommission" [das war im Jahr 2001] soll Argumente abwägen
helfen. Selbst diese Instanz wird schon von verschiedenen Seiten als überflüssig kritisiert. Und schließlich erreichen uns fast täglich Meldungen von
irgendwelchen Erfolgen auf diesem Gebiet. So schnellebig ist die Zeit!
Sind das aber wirklich Erfolge oder in Wahrheit nur Eintagsfliegen? Wer kann das beurteilen?
Wissenschaft und Gesellschaft - ein altes Thema, weil Wissenschaft und Gesellschaft eben nicht zu trennen sind. Es ist schwer einzuschätzen, warum
gerade zum jetzigen Zeitpunkt Themen diskutiert werden, die eigentlich schon länger aktuell waren. Aber Vermutungen anzustellen sollte durchaus
legitim sein. Tatsache ist, dass nicht alle Verheißungen der Wissenschaftler bisher in Erfüllung gingen. Sehen wir nur die letzten 50 Jahre, so fällt dem
kritischen Betrachter auf, dass durchaus Diskrepanzen zwischen Anspruch und Realität, gerade die Wissenschaften betreffend, zu beobachten sind. Irgend etwas stimmt hier nicht. Der Achte Tag der Schöpfung ist eben (noch?) nicht angebrochen.
Es wäre kurzsichtig, Wissenschaftskritik mit Wissenschaftsfeindlichkeit gleichzusetzen. Gerade, weil sich eine durchaus als wissenschaftsfeindlich
einzustufende Stimmung, oder nur Gleichgültigkeit, auf weite Kreise der Bevölkerung auszubreiten scheint, darf es an Kritik nicht mangeln. Teil
dieser Kritik ist vielleicht die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Dabei sind durchaus Analogieschlüsse zulässig, die eine Bewertung der
jetzigen wissenschaftlichen Aktivitäten ermöglichen helfen.
Fehleinschätzungen gab es schon immer, dies lässt sich - rückblickend - belegen.
Fehleinschätzungen gibt es gewiss auch heute, das sollte man - vorausschauend - einkalkulieren.
Einerseits gibt es durchaus zu honorierende Erfolge. Doch andererseits scheint der Erkenntnisfortschritt auf vielen Gebieten zu stagnieren. Das
Selbstbewusstsein der "Macher" wird davon nicht berührt. Denn die Erfolge der Wissenschaft sind unbestritten. Und die Misserfolge? - Letztere gibt
es nicht. Die scheinbaren Misserfolge der Gegenwart sind die Erfolge der Zukunft. Es ist alles nur eine Frage des Geldes und der Zeit. Und wenn ein
Forschungsziel eben noch nicht erreicht werden konnte, so bedeutet dies nur, dass es von der Gesellschaft nicht gebührend gewürdigt und gefördert wurde.
Ist das wirklich so einfach? Zweifel sind erlaubt.
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