Wissenschaft und Kritik - Wissenschaftskritik
04.07.2000
Der Glaube an die Kraft des eigenen Verstandes oder der Glaube an die Unfehlbarkeit der Autoritäten - das ist hier die Frage.
Ich kann diese Frage leider nicht (end)gültig beantworten, sondern sie nur stellen.
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu
bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Diese Sätze sind mehr als 200 Jahre alt und stammen von Immanuel Kant, der sie 1784 formulierte. Wie es aussieht, sind diese Aussagen heutzutage aktueller denn je.
Es scheint schwierig zu sein, sich seines "eigenen Verstandes zu bedienen". Nicht nur in den Wissenschaften. Die sich anhäufenden Informationen fordern geradezu eine sehr weitgehende arbeitsteilige Wissensverarbeitung. Und das sich immer weiter entwickelnde "Spezialistentum" förderte geradezu ein sich anhäufendes Wissen.
Allein die Wissenschaft Physik ist vom Einzelnen kaum noch zu überschauen, weil es nicht mehr nur die bekannten Fachgebiete gibt, sondern sich jede Fachdisziplin in die
unterschiedlichsten Forschungsgebiete mit kaum noch abzählbaren Forschungsthemen aufgliedert. Und einige dieser speziellen Forschungsgebiete betrifft die Suche nach einer einheitlichen
Theorie. Ein Widerspruch in sich! (vgl. Die Suche nach dem geistigen Band)
Zu welchen Auswüchsen das führt, kann man an den gigantischen Anlagen der Teilchenphysiker (z.B. DESY und CERN) ablesen. Natürlich sind die wissenschaftlichen Betreiber dieser Anlagen zutiefst von deren Notwendigkeit überzeugt. Viel jedoch
scheint bisher - an verwertbarerErkenntnis - nicht herausgekommen zu sein. (Ich meine Erkenntnis - nicht praktische Nutzanwendung!) Und dies liegt dann ausschließlich
daran, dass die vorhandenen Geräte (Beschleuniger, Speicherringe etc.) natürlich viel zu klein sind. Es müssen unbedingt größere Anlagen geschaffen werden, die natürlich auch "ein klein
wenig mehr" kosten. Eine Grenze ist nicht abzusehen. (vgl. Wer soll das bezahlen?...)
Diese Grenze ist m. E. längst überschritten. Selbst der wohlwollendste Beobachter müsste langsam den Mut finden, sich seines "eigenen Verstandes zu bedienen". Man
sollte durchaus zur Kenntnis nehmen, dass die wichtigsten Erkenntnisse der so genannten modernen Physik im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gewonnen wurden. Die Nutzanwendung dieser
Theorien reicht von der Atomenergie bis zur Mikroelektronik und dem Laser z.B.
Das Problem: Um sich seines eigenen Verstandes bedienen zu können, sind umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen erforderlich. So jedenfalls sehen es die Spezialisten.
Doch sehen jene mitunter auch "den Wald vor lauter Bäumen nicht" mehr. Es ist durchaus möglich, sich über eine Wissenschaft (oder auch Wissensgebiet) einen gewissen
(qualitativen) Überblick zu verschaffen, ohne in Details zu ertrinken. Dabei ist eine gewisse kritische Distanz durchaus empfehlenswert, wenn man sich beispielsweise mit populärer Literatur
beschäftigt. Auch mit solcher, die von wirklichen Fachleuten geschrieben wurde.
Skepsis ist schon angebracht, wenn man liest, dass die Wissenschaft "ganz genau weiß", wie das Universum entstanden ist und mit welch abstrakten theoretischen Konstrukten die Teilchenphysiker ihre Erkenntnisse beschreiben.
"Des Kaisers neuen Kleider" lassen grüßen.
Ich befürchte, dass die Wissenschaften - mit der Physik an der Spitze - ihrem einstigen aufklärerischen Anspruch nicht (mehr?) gerecht werden.
Es zählen - leider - nur noch Autoritäten, und der eigene Verstand zählt fast überhaupt nicht mehr.
Erfolge von Wissenschaft und Technik
27.06.2000
Der jeweils aktuelle Stand des Wissens führte offensichtlich auch zu dessen Überschätzung. So war es in der Vergangenheit schon des
öfteren gewesen. Wie sollten wir unsere heutigen Erkenntnisse bewerten?
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereiste der 1734 geborene Wolfgang Ritter von Kempelen u.a. die
Herrscherhäuser Europas. Im Marschgepäck befand sich ein vorgeblich schachspielender Automat, der
sicherlich für einiges Aufsehen sorgte. Diese Maschine bestand aus einer vor einem Kasten sitzenden als Türke
gekleidete Figur, die durch ein undurchschaubares im Kasten befindliches mechanisches Werk aus Rädern und
Hebeln bewegt wurde. Auf dem Kasten befand sich ein Schachbrett, dessen Figuren der "Türke" mit sicherer
Hand bewegte. Und die europäische "feine Gesellschaft" bewunderte den "schachspielenden Türken", der zudem
nicht nur wirklich Schach spielen konnte, sondern auch alle Partien - selbst gegen gekrönte Häupter - gewann.
Der Kasten war 120 cm lang, 90 cm hoch und etwa 60 cm breit. Trotz der nicht sonderlichen Größe und der zur
Schau gestellten aufwendigen Mechanik verbarg sich im Kasten, für die Zuschauer selbstverständlich unsichtbar,
ein Zwergmensch, der durch ein ausgeklügeltes mechanisches System die Schachfiguren "fernbediente". Erst nach dem Tod v. Kempelens wurde
das Geheimnis gelüftet. Zwar kaufte auch damals die Gesellschaft das Wunderding eines "schachspielenden mechanischen Menschen" nicht wirklich
ab, aber der kunstfertige v. Kempelen verstand es, seine trickreiche Erfindung gut darzubieten, so dass ihm seinerzeit keiner wirklich auf die
Schliche kam. Der Unterhaltungswert war unbestritten.
"Schachspielende Automaten" sind heutzutage nun wahrhaft nichts Besonderes. Lediglich mit Mitteln der Mechanik sind sie nicht realisierbar. Auch
heute nicht! Das konnte im 18. Jahrhundert natürlich niemand wissen. Ob es spezielle Schach-Computer sind oder Programme, die auf einem
gewöhnlichen PC laufen - die Mikroprozessor-Technik ermöglicht Dinge, die vor 250 Jahren prinzipiell nicht umsetzbar waren. Nicht einmal denkbar
waren sie. Die kühnste Phantasie hätte dazu nicht gereicht. Physik und Technik beschränkten sich damals auf die schon gut bekannten
Gesetze der Mechanik und die beginnende Nutzung der Wärmeenergie. Die erste praktisch nutzbare Dampfmaschine baute 1769 der Schotte
James Watt. Die Lehre von den elektrischen und magnetischen Erscheinungen steckte noch in den Kinderschuhen.
Das Geistesleben des 18. Jahrhunderts war aber geprägt von der Vorstellung der erkenn- und beherrschbaren Natur. So wenig man tatsächlich in
der Lage war, die Grenzen dieser Denkweise auch nur zu erahnen, so bestimmte diese Geisteshaltung dennoch die kommenden Jahrhunderte.
Und der Wahn, die Welt als Ganzes zu begreifen, ist charakteristisch auch für die heutige Zeit und die modernen Wissenschaften - mit der Physik als
Vorreiter für eine vorgeblich rational begründete "Welt"-Anschauung.
Wie sollte man die Errungenschaften der heutigen Wissenschaften einschätzen? - Man kann sich selbstverständlich nicht in einen Beobachter des
23. Jahrhunderts hineinversetzen, der
sich mit der Geschichte des 20. und dem beginnenden 21. Jahrhunderts auseinandersetzt. Aber man darf
getrost davon ausgehen, dass ein solcher Beobachter über unsere Naivität reichlich amüsiert sein wird.
Vorrausgesetzt, es gibt dann überhaupt noch jemanden , der sich über irgend etwas amüsieren kann.
12.07.2000
“Wissen ist die treibende Kraft” lautet die Überschrift eines Artikels der Zeitung DIE WELT vom 12.07.2000.
In diesem Jahrhundert werden wir entscheidende wissenschaftliche Durchbrüche erzielen. Diese werden die Fragen
beantworten, wie das Leben auf der Erde wirklich entstand, die Entwicklungsgeschichte des Menschen verlief, unsere Gene funktionieren oder das Gehirn arbeitet.
Sir John Maddox, Chemiker und langjähriger Chefredakteur des Wissenschaftsmagazins 'Nature' schaut optimistisch nach vorn.
Gemeinsam mit 100 Forschern, darunter ein Dutzend Nobelpreisträgern, denkt er in dieser Woche auf dem Expo-Kongress 'Science
and Technology - Thinking the Future' über wissenschaftliche und technische Entwicklungen in der Zukunft nach.
Einschränkend vermerkte Maddox allerdings auf einem Symposium am Dienstag, dass wir für eine ganze Reihe von Fragen,
“einfach noch zu dumm sind, um sie zu stellen”. Außerdem seien einige Dinge nicht zu realisieren, “weil sie technisch nicht
machbar sind - etwa das Zeitreisen”. Anderen Durchbrüchen stünden ethische, ökologische oder finanzielle Bedenken entgegen.
Diese Sätze waren u.a. in der Zeitung DIE WELT vom 12.07.2000 zu lesen. Eine recht interessante Einschätzung des aktuellen Wissenstandes, will
ich meinen. Nun, Sir John konnte allerdings - das muss man durchaus anerkennen - mit einer "ganz kleinen" Einschränkung aufwarten: Wir seien
"nur" zu dumm, einige wichtige Fragen zu stellen. Alle bisher gestellten Fragen - da besteht kein Zweifel - werden mit Sicherheit auch beantwortet
werden können. Nur eine Frage der Zeit sicherlich ist es - und des Geldes wohl auch.
Das Problem: Sind die bisher gestellten Fragen in den Wissenschaften überhaupt schon die "richtigen" (relevanten) Fragen? Sind wir tatsächlich in
der Lage, das alles von unserem derzeitigen Erkenntnisstand aus beurteilen zu können?
Ich möchte hierbei ernsthafte Zweifel anmelden. Wie dem auch sei, die allzu optimistische Einschätzung des aktuellen Wissens scheint eine nie zu
überwindende Krankheit zu sein. Folgendes Zitat (auf die Physik bezogen) dürfte recht aufschlussreich sein:
Als ich meine physikalischen Studien begann und bei meinem ehrwürdigen Lehrer Philipp von Jolly wegen der Bedingungen und
Aussichten meines Studiums mir Rat erholte, schilderte mir dieser die Physik als eine hochentwickelte, nahezu voll ausgereifte
Wissenschaft, die nunmehr, nachdem ihr durch die Entdeckung des Prinzips der Erhaltung der Energie gewissermaßen die Krone
aufgesetzt sei, wohl bald ihre endgültige stabile Form angenommen haben würde. Wohl gäbe es vielleicht in einem oder dem anderen
Winkel noch ein Stäubchen oder ein Bläschen zu prüfen und einzuordnen, aber das System als Ganzes stehe ziemlich gesichert da, und die
theoretische Physik nähere sich merklich demjenigen Grade der Vollendung, wie ihn etwa die Geometrie schon seit Jahrhunderten besitze.
Max Planck (1858-1947) äußerte diese Sätze 1924 in einer Vorlesung.
Was soll man davon halten? - Etwas Nachdenklichkeit - und Bescheidenheit - könnte durchaus nicht schaden!
Oder?...
Ptolemäus (I)
22.07.2000
Astronomische Betrachtungsweisen galten stets als WELT-Bilder. Für eines dieser Bilder steht der Grieche Claudius Ptolemäus, Astronom
und Mathematiker, etwa von 90 bis 170 lebend.
Hier einige Aussagen des Claudius Ptolemäos:
Nun stellen sich manche Philosophen, ohne gegen die hier entwickelten Ansichten etwas einwenden zu können,
ein ihrer Meinung nach glaubwürdigeres System zusammen und geben sich dem Glauben hin, daß keinerlei
Zeugnis wider sie sprechen werde, wenn sie z.B. das Himmelsgewölbe als unbeweglich annähmen, während sie die
Erde um dieselbe Achse von Westen nach Osten täglich nahezu eine Umdrehung machen ließen, ...
Wenn auch vielleicht, was die Erscheinungen in der Sternenwelt anlangt, bei der größeren Einfachheit des
Gedankens nichts hinderlich sein würde, dass dem so wäre, so ist doch diesen Männern nicht entgangen, dass aus
den uns selbst anhaftenden Eigenschaften und den eigenartigen atmosphärischen Verhältnissen die ganze Lächerlichkeit einer solchen Annahme ersichtlich werden muss.
...so müssten sie doch zugeben, dass die Drehung der Erde die gewaltigste von ausnahmslos allen in ihrem
Bereich existierenden Bewegungen wäre, insofern sie in kurzer Zeit eine so ungeheuer schnelle Wiederkehr zum
Ausgangspunkt bewerkstellige, dass alles, was nicht niet- und nagelfest wäre, scheinbar immer in einer einzigen
Bewegung sein müßte, welche der Bewegung der Erde begriffen sein müsste, welche der Bewegung der Erde entgegengesetzt verliefe.
Jetzt filtern wir folgende Aussagen heraus:
- Da gab es zu jener Zeit "manche Philosophen", die bereits zur Auffassung gelangten, dass die Erde selbst um ihre Achse rotiere. Namen
wurden hier keine genannt. Die Kopernikanischen Gedanken waren nicht grundsätzlich neu, und nicht darin bestand ihr revolutionärer
Charakter, sondern darin, dass man sie wohl später erst zur Kenntnis nahm und mit ihnen sich ernsthaft befassen musste und dies auch tat. Die
Konsequenzen dieser Sichtweise waren - zu jener Zeit - unannehmbar. Sie widersprachen dem gesunden Menschenverstand und - jeglicher Erfahrung!
- Die größere "Einfachheit des Gedankens" wurde erkannt. Gemeint ist sicherlich die Tatsache, dass ein anderes Bezugssystem als die
feststehende Erde es bietet, eine einfachere formale mathematische Beschreibung der beobachtbaren Veränderungen am Himmel zur Folge haben könnte.
- "Die ganze Lächerlichkeit einer solchen Annahme" folgt aus den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Die Argumentation erfolgte -
aus unserer heutigen ach so überlegenen Sicht - auf recht naive Weise. Gegenargumente hätten eines Kenntnisstandes bedurft, der zu jener
Zeit nicht vorhanden war und nicht vorhanden sein konnte.
Seit Kopernikus galt diese Angelegenheit nun gar nicht mehr als lächerlich. Mit einem formalen mathematischen Modell der Beschreibung der
"himmlischen Bewegungen" hätte man zur Not sich noch abfinden können. Doch Giordano Bruno fand, wie es nun einmal das Los für verstockte
Ketzer war, den Flammentod. Seine "Gottes"-Lästerung bestand in der Verdrängung des Menschen aus dem Mittelpunkt der "Welt". Wenn schon
die Erde der Mittelpunkt dieser Welt nicht war, sondern die Sonne, so hätte man dies unter Umständen noch gelten lassen. Ist jedoch "die Sonne"
eine nur unter unendlich vielen anderen noch, so stimmt die ganze Schöpfungsgeschichte nicht mehr.
Interessant erscheint jetzt die Frage danach, wie - heutzutage scheinbar offensichtliche - Irrtümer und Fehleinschätzungen derart langlebig sein
konnten - und dies trotz der wirklich vorhandenen anderen Ansichten oder wenigstens Denkansätze
Am Ptolemäischen Beispiel erkennen wir die recht komplexe Problematik auch dahingehend, dass es nicht schlichte Unwissenheit war, die ein
später als falsch sich erwiesenes Weltbild dermaßen konservierte und etwa 1500 Jahre vergehen mussten, um sich von solch unrichtigem Bild zu trennen.
Auch Ignoranz ist nicht der richtige Ausdruck dafür. Ptolemäus war mit Sicherheit kein ignoranter Dummkopf. Man hatte höchstwahrscheinlich
nach bestem Wissen und Gewissen für eine Weltsicht sich entschieden, die (fast) alle Fragen der Menschen zu jener Zeit befriedigend beantwortete,
jedenfalls die Fragen jener Menschen, die solche Fragen überhaupt zu stellen gewillt und befähigt waren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Und von
ungehöriger Arroganz wäre es, herablassend auf jene Zeit und jene Menschen zurückzublicken, die sich nicht einen Deut schlechter oder besser
verhielten als wir selbst uns verhalten oder verhalten würden.
Das Problem bestand weniger in irrigen Ansichten als vielmehr darin, dass solche Ansichten sich gesellschaftlich etablieren konnten. Irrtümer wurden
Lehrmeinungen, die, von Generation zu Generation "vererbt", kaum noch Veränderungen erfuhren. Zur Ideologie beginnen Lehrmeinungen dann zu
werden, tangieren sie die Interessen gesellschaftlicher Gruppen. Die Wahrheit ist dann so etwas von unwichtig, wie man es sich unwichtiger kaum
vorstellen kann. Und außerdem: man bekämpft ja nie die Wahrheit - man wähnt sich ja im Besitz derselben. Man bekämpft ja nur die "Irrlehren", die
jenen Besitz streitig machen könnten.
Heutzutage haben wir genügend Abstand zu jenen historischen Begebenheiten, sodass wir einigermaßen gelassen urteilen können.
Die Wahrheit hat sich heute endgültig durchgesetzt. Und geradezu in höchstem Maße lächerlich wäre es,
an diesen uns allen mehr oder weniger bekannten unumstößlichen Wahrheiten auch nur den geringsten Zweifel zu hegen!
Ptolemäus (II)
17.09.2000
Wissenschaftliche Theorien können durchaus zu Ideologien werden. So jedenfalls befürchtete es schon Karl Popper. Es scheint schon ein ziemlicher
Unterschieds zu sein, ob man die Erde als feststehend und den "Rest der Welt" sich um diese bewegend sich denkt, oder ob das Zentrum des
Planetensystems die Sonne bildet, um die alle anderen Objekte kreisen. Zumal wir von dieser Bewegung unmittelbar nichts bemerken. (vgl. Ptolemäus (I))
Nun war es aber so, dass man auch mit Hilfe des Ptolemäischen Systems - im Rahmen der damaligen Beobachtungsgenauigkeiten - zu annähernd
richtigen Aussagen kam. Die Bewegungen sämtlicher seinerzeit bekannter Planeten waren berechenbar - das war ja beabsichtigt.
Dieses Modell hatte aber entscheidende Nachteile. Doch kann man jedes Modell dahingehend modifizieren, dass es den Beobachtungstatsachen
irgendwie gerecht wird. Dies führt jedoch erstens zu einer Komplizierung des Systems (Stichwort "Epizyklen") und zweitens zur uneinheitlichen
Behandlung der Himmelskörper.
Die Fixsterne bereiteten hier die wenigsten Sorgen. Doch die Planeten teilten sich in zwei Gruppen: Die eine Gruppe bestand aus den Planeten
Merkur und Venus (aus heutiger Sicht innerhalb der Erdbahn befindlich) und den Planeten außerhalb der Erdbahn (Mars, Jupiter, Saturn).
Erst wenn man die Sonne in den Mittelpunkt des Planetensystems rückt und um diese die Planeten sich bewegend denkt, bekommt man plötzlich
eine einheitliche Ordnung in den Bewegungsablauf der Planeten.
Doch auch Kopernikus blieb an den "vollkommenen" Kreisbahnen haften, sodass sein System ganz so vollkommen nicht wurde. Erst Johannes Kepler (1571-1630) konnte mit seinen elliptischen Bahnen den Erfahrungstatsachen gerecht werden.
Betrachtet man diese grob skizzierten geschichtlichen Tatsachen und fragt danach, was aus solchen Erfahrungen zu lernen sei, so muss man leider
feststellen, dass man in den Wissenschaften anscheinend nichts gelernt hat.
Hier seien einige Äußerungen Karl Poppers (1902-1994) aus dem Jahr 1990 zitiert:
Die Physik und die Biologie sind zwei Fächer, die mich brennend interessieren. Überall, auch in diesen Fachbereichen, gibt es einen
Dogmatismus, gegen den es schwierig wird, sich durchzusetzen. Ein Beispiel für eine physikalische Ideologie ist der Big Bang, der Urknall.
Fast jeder, vor allem fast jeder Physiker, glaubt daran, und es spricht doch sehr viel gegen diese
Hypothese. Das, was einmal dafür gesprochen hat, ist längst verschwunden. In den frühen zwanziger Jahren sprach dafür, dass die Theorie erstens
ungeheuer einfach war und dass sie zweitens alles das erklären konnte, was man damals gewusst hat und gerne erklären
wollte... Heute ist das nicht mehr der Fall. Die Theorie vom Urknall kann nicht oder fast nichts mehr erklären, und auch
das nur mit den kompliziertesten Hilfshypothesen. Es ist ja eine komplizierte Ideologie geworden.
02.08.2000
Aller wissenschaftlich-technischer Fortschritt basiert auf Tradition. Aber irgendwann nahmen auch die Traditionen ihren Anfang.
Einst gab es Kutschen mit Pferdeantrieb. Wichtiges Merkmal waren Räder (meist vier). Dann noch mussten Sitzmöglichkeiten für die Passagiere
geschaffen werden. Ob das Ganze nun überdacht war oder nicht, hing vom Verwendungszweck ab und von den Komfortbedürfnissen der Fahrgäste.
Als der Dampfantrieb die Pferde ablöste, änderte sich im Prinzip fast nichts. Allerdings konnte die Dampfkutsche auf der Straße sich nicht
durchsetzen, erlangte aber auf der Schiene als Lokomotive für lange Zeit beträchtliche Bedeutung. Erst eine von Nikolaus Otto (1832-1891)
gebaute Gaskraftmaschine, die auf der Pariser Weltausstellung 1867 mit der Goldmedaille ausgezeichnet wurde, war der Vorläufer eines nach dem
Viertaktverfahren arbeitenden Verbrennungsmotors, den Otto 1876 konstruierte.
Karl Friedrich Benz (1844-1929) entwickelte 1878 den ersten stationär verwendbaren Zweitaktmotor und baute 1886 das erste Automobil. Dies
war ein dreirädriges Gefährt mit einem Einzylinder-Viertaktmotor und elektrischer Zündung.
Gottfried Daimler (1834-1900), als der technische Direktor der Deutz-Motorenfabrik, wurde im Jahre 1890 Mitbegründer der Daimler
-Motorengesellschaft, welche mit der von Benz1883 gegründeten Gesellschaft anno 1926 zur Daimler-Benz AG fusionierte. (Irgendwelche
Nachkommen gerade genannter Firmen soll es meines Wissens auch heute noch geben. Und Autos werden gleichfalls noch gebaut.)
Wie jedoch unterscheiden sich die damals fabrizierten Fahrzeuge von den heutzutage hergestellten Automobilen grundlegend?
Überhaupt nicht!
Zugegeben, es gibt einige kleine technische Detailverbesserungen, die den Gebrauchswert schon etwas anheben konnten. Doch Fahrgestell mit vier
Rädern inklusive Lenkung und Bremsanlage plus Verbrennungsmotor und Passagierkabine sind auch heute noch vorhanden. Die Formen haben sich
allmählich gewandelt. Einer Pferdekutsche sehen die Autos überhaupt nicht mehr ähnlich. Aber diese Veränderungen entstanden langsam, kaum wahrnehmbar.
Auch am Motor hat sich im Grundsatz nichts geändert. Die technischen Verbesserungen bezogen sich stets auf das Modifizieren des bereits
Vorhandenen und vollzogen sich allmählich und ebenfalls kaum merklich, führten aber auch zu einem immer höheren Kompliziertheitsgrad der
Konstruktion. Das Automobil ist etwa 115 Jahre alt, und erst der direkte Vergleich der damaligen "Motorkutschen" mit den jetzigen Erzeugnissen
der Automobilindustrie führt uns das Ergebnis einer gewaltigen Entwicklung vor Augen, die auf diesem Gebiet augenscheinlich stattgefunden hat.
Die Erfindung des Rudolf Diesel (1858-1913) bewegt sich ebenfalls auf vorgegebenen Bahnen. Der nach ihm benannte Motor (1897) weist alle
Merkmale jener Verbrennungsmotore auf, die es im Laufe der Zeit so gegeben hat. Auch dieser Motor fand seine Anwendung im Kraftfahrzeug und in zunehmendem Maße auch im Pkw.
Betrachten wir in diesem Zusammenhang den von Felix Wankel 1957 konstruierten Kreiskolbenmotor, so konnte die im Prinzip einfachere, und mit
Sicherheit auch effizientere, Konstruktion aufgrund einiger technischer Schwierigkeiten sich nicht durchsetzen.
Nur, hätte man bei der Einführung der Hubkolbenmotoren (nach Otto und Diesel
) ebenfalls vor "unüberwindlichen Schwierigkeiten" kapituliert, so
gäbe es heutzutage keine Autos. Hat sich aber erst einmal eine Entwicklung durchsetzen können, so gibt sie nie "freiwillig" den Weg frei für
Neuerungen. "Objektive" Gründe dafür, dass etwas nicht realisierbar ist, lassen sich immer finden. Jede - sogar sinnvolle - Alternative zu bekannten
Konstruktionsprinzipien der Verbrennungsmotore hat nicht die geringste Chance. Auch hierbei sind starre "gesellschaftliche Strukturen" (hier die
Automobilindustrie in und mit ihrem globalen gesellschaftlichen Umfeld) für praktizierten Konservatismus verantwortlich, dem nicht einmal der
internationale Wettbewerb etwas anzuhaben vermag. Diese Strukturen kapseln sich weitgehend ab von "störenden Umwelteinflüssen" und stabilisieren sich selbst.
Dieses interessante Thema will ich nicht weiter verfolgen. Wichtig für uns ist es, die Ähnlichkeit im Verhalten aller gesellschaftlichen Strukturen zu
erkennen. Grundlegende Änderungen sind durch weitreichenden Strukturwandel und vorübergehende Instabilitäten charakterisiert. Jedes halbwegs
stabile System wird sich darum mit aller Macht solchen Änderungsbestrebungen solange widersetzen - bis auch "alle Macht" nicht mehr hilft und es
seine Stabilität verliert.
Alle technischen Errungenschaften haben Tradition. Darin liegt ihre Stärke - und ihre unüberwindbare Schwäche zugleich! Die Schwäche liegt
eindeutig in der nicht vorhandenen Innovativität. Innovationen lassen sich nicht "entwickeln", sie entstehen (wie auch immer) oder sie gibt es eben
nicht. "Planbare Innovationen" sind "schwarze Schimmel". Die gerade angedeuteten technischen Entwicklungen aber sind aus Innovationen
hervorgegangen, die die Grundlage bildeten für das vorhandene technische
Niveau. Die technische Entwicklung ist somit gekennzeichnet durch das kosequente Verfolgen irgendwann einmal gegebener Neuerungen.
Dies alles gilt - und das ist das Hauptproblem - ebenso für die Wissenschaften: Alle wissenschaftlichen Errungenschaften haben Tradition. Darin liegt ihre Stärke.
Und ihre unüberwindbare Schwäche zugleich!
Klimakatastrophe
22.04.2001
Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser. Was aber, wenn eine Kontrolle kaum möglich ist?
Es gibt Schlagworte, die kennt jeder. Und zunächst vertraut man den hinter diesen Schlagworten stehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dieses
Vertrauen ist notwendig, denn schließlich kann man nicht alles wissen und, persönlich nachvollzogen, überprüfen sowie bewerten. Und wenn sogar
"die ganz große Politik" hinter diesen Dingen steht...
Konkret: Da finden wir in den Physikalischen Blättern (ab 2002 Physik Journal) der Ausgabe 2/2001 unter der Überschrift Rio, Kioto, Den
Haag und nun? (Dr. Mojib Latif, Forschungsgruppe "Gekoppelte Klimamodelle", MPI für Meteorologie, Hamburg) u.a.:
Der Klimagipfel in Den Haag ist gescheitert. ... Man muss es ganz klar sagen: Es sieht nicht gut aus für den globalen Klimaschutz. ...
Der Klimawandel ist in vollem Gange, und seine Anzeichen sind unverkennbar. So war die Dekade 1990 bis 2000 die wärmste in den
letzten 1000 Jahren. Der Gehalt von Kohlendioxid (CO2) war seit 500000 Jahren nicht mehr so hoch wie heute. Der Grund hierfür ist unstrittig
: Der Mensch erzeugt Energie vor allem durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe ..., dabei entsteht CO2, das zusammen mit
den anderen so genannten Treibhausgasen zu einer Erwärmung der unteren Luftschichten mit dem "zusätzlichen Treibhauseffekt", führt.
...Warum aber passiert so wenig, wenn die "Beweislage" so klar ist?
...Die Mitteltemperatur hat sich in den letzten 100 Jahren um etwa 0,7 °C erhöht. Es gibt praktisch keinen Zweifel daran, dass der
Mensch für den Großteil dieser Erwärmung verantwortlich ist. [Hervorhebungen W.N.]
Fassen wir zusammen: Der CO2-Gehalt der Atmosphäre nimmt zu. Dadurch steigt langfristig aufgrund des
"zusätzlichen Treibhauseffektes" die Temperatur. Die Ursache finden wir im Einfluss des Menschen. Da gibt es "praktisch keinen Zweifel"
. Schon diese Formulierungen sind dazu
angetan, jeden Zweifel an diesen "Tatsachen" als sträfliche Ignoranz darzustellen. Doch ein paar Zeilen weiter werden diese apodiktischen Sätze
dennoch ein ganz klein wenig relativiert:
Selbst hier in Deutschland sind die Bürger nicht bereit, Opfer für den Klimaschutz zu bringen. Die Debatte um die hohen Benzinpreise und
die Ökosteuer zeigen dies nur zu deutlich. ...[Teil der Begründung, W.N.:] Schließlich spielt aber auch die Unsicherheit in den Klimaprognosen eine wichtige Rolle. Es ist für uns
Klimaforscher nur schwer zu vermitteln, dass exakte Prognosen prinzipiell nicht möglich sind, da nichtlineare Systeme für manche Überraschung gut sind.
...Die Unsicherheit in den Modellrechnungen haben verschiedene Gründe. Einerseits weiß man gar nicht, wie sich Parameter wie z.B. die
Weltwirtschaft oder die Bevölkerungszahl und damit der Ausstoß von Treibhausgasen in den nächsten hundert Jahren entwickeln werden.
Andererseits gibt es auch Unsicherheiten in der Formulierung der Modelle selbst. Und schließlich kommt noch die Unsicherheit infolge
der chaotischen Natur des Klimas dazu. Trotz der Unsicherheiten in den Prognosen steht aber fest, dass sich die Atmosphäre bei weiter rasant ansteigendem CO2 -Gehalt mit einer Geschwindigkeit erwärmen würde, die einmalig für die Menschheit wäre. [Hervorhebungen W.N.]
Was soll man von diesen Aussagen halten? Wie soll man, wenn man zudem kein Spezialist der Klimaforschung ist, solche widersprüchlichen
Aussagen bewerten? Dies ist, ohne sich in dieses Thema weiter zu vertiefen, anscheinend nicht möglich. Dennoch: Man kann zwar nicht alle
Zusammenhänge kennen und interpretieren, aber mit einigen Stichworten kommen wir schon einen ganz kleinen Schritt weiter. Es war von der
"chaotischen Natur des Klimas" die Rede. Die Beiträge Prognosen und Chaos gingen auf verschieden Aspekte determinierter Prozesse ein. Hier die wesentlichen Punkte:
- Der Prozess läuft nach objektiven Gesetzmäßigkeiten ab, ist also ein deterministischer Prozess.
- Es steht ein "hinreichend genaues" Modell des Prozesses zur Verfügung.
- Es sind die Rand- und Anfangsbedingungen des Systems respektive Prozesses (System- und Prozessparameter) "hinreichend genau" bekannt.
Nun verhalten sich im Allgemeinen komplexe, nichtlineare Prozesse, zu denen auch Wetter und Klima gehören, eben chaotisch. Dies sagt nichts
anderes aus, als dass sich solche Systeme über einen bestimmten Zeitraum hinaus nicht mehr prognostizieren lassen. Kleine Fehler und Ungenauigkeiten
in den Modellen sowie geringe Abweichungen in den Prozessparametern führen nach "hinreichend langer Zeit" zu einem völligen Versagen
des Modells! Und ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt wird in der einschlägigen Schriften und sonstigen Informationen nicht
einmal explizit erwähnt. Man setzt stillschweigend voraus, dass das Wettergeschehen "entchaotisiert" wird, in Gestalt der Temperatur, über einen
längeren Zeitraum gemittelt, die man dann als relevanten Klima-Parameter interpretiert. Letztlich läuft das darauf hinaus, dass die mittlere globale
Temperatur (wie ist die eigentlich definiert und wie wird sie praktisch ermittelt?) eine lineare(!) Funktion der CO2-Konzentration sein soll!
Unsicherheiten bestehen, so kann man obiges Zitat interpretieren, somit lediglich in der exakten Bestimmung des Proportionalitätsfaktors dieser
linearen Abhängigkeit. Es bliebe trotzdem die Frage offen: Was bedeutet "längerer Zeitraum" konkret? Die Klimaforscher haben sich auf einen
Zeitdifferenz von 30 Jahren geeinigt, als es darum ging einen "Klimazeitraum" zu definieren. Eine recht willkürliche Sache, wie es scheint. Wären nicht
beispielsweise 3.000 Jahre eine für erdgeschichtliche Vorgänge angemessenere Zeitspanne? Oder 300.000 Jahre? (Das aber ist Spekulation.)
Doch sind die verwendeten Simulations-Modelle, auf Superrechnern implementiert, trotz gewaltiger Fortschritte auf diesem Gebiet, lediglich sehr
grobe Annäherungen (wenn überhaupt) an die Realität. Und was die Bestimmung der "Prozessparameter" anbelangt, so sind diese ebenfalls nicht
von hervorragender Güte. Damit dürfte die obige Aussage, dass die Mitteltemperatur sich in den "letzten 100 Jahren um etwa 0,7 °C erhöht"
hat, nicht besonders vertrauenserweckend sein, schon aus jenem Grund nicht, weil für den interessierten Laien nicht nachvollziehbar ist, welches
Datenmaterial dem zugrunde liegt und mit welchen mathematischen Tricks diese Daten "aufbereitet" werden, die ja zum Teil auch aus einer Zeit
stammen, als es noch keine Satelliten gab. Und zu den "interessierten Laien" sind durchaus die Politiker zu zählen, da sie - erstens - interessiert sind
oder es sein sollten und sie - zweitens - als Laien auf diesem Fachgebiet agieren und den Aussagen der Wissenschaftler vertrauen (müssen).
Des langen Textes kurzer Sinn: Die Unsicherheiten bezüglich der - globalen! - Messwerterfassung aller klimarelevanten Parameter sowie die
Unsicherheiten bezüglich der zur Anwendung kommenden Modelle sind dermaßen groß, dass eine 100-jährige Vorhersage beispielsweise völlig absurd ist!
Wie also ist es um die Objektivität wissenschaftlicher Aussagen bestellt, und welchen Einfluss üben zeitgeistige Strömungen auch auf die Politik aus.
Unbestritten soll der sparsame Umgang mit den natürlichen Ressourcen sein. Und dass man bei der Verringerung der Emission von tatsächlichen
Schadstoffen (z.B. Schwefel- und Stickoxide) durch entsprechende Maßnahmen Fortschritte gemacht hat, ist dem positiven Einfluss des
Umweltschutz-Gedankens zu verdanken. Doch dass man seit geraumer Zeit das Kohlendioxid zum Umweltfeind Nr. 1 erklärt, ist nicht so leicht
nachzuvollziehen, zumal der so genannte Treibhauseffekt - in diesem Beitrag nicht genauer erläutert - vielfach falsch erklärt wird .
Und welche Rolle spielen hier die Medien, die ebenfalls zu einer einseitigen Information beitragen? Der tatsächliche wissenschaftliche Meinungsstreit
findet (fast) hinter verschlossenen Türen statt, zumindest in Deutschland. Und noch etwas: Der Vorsprung der Kernkraftwerke in punkto
Umweltweltfreundlichkeit dürfte etwas zusammenschrumpfen (vgl. Kernenergie (I) und Kernenergie (II)).
Und hier eine etwas neuere Meldung zum Thema (spiegel online, 19.01.2001, Link nicht mehr gültig):
Das Abschmelzen der westantarktischen Eisdecke, auf das frühere Studien hingedeutet haben, gehört zu den Horror-Szenarien der
Klimaforschung: Würde der kalte Panzer in den nächsten Jahrhunderten schmelzen, könnte der Meeresspiegel um mehrere Meter steigen,
was katastrophale Folgen für die Küstenregionen der Welt hätte.
Doch offenbar hat sich die Erderwärmung noch nicht gravierend auf die Eismassen ausgewirkt. Eine neue Untersuchung von US
-Forschern legt vielmehr nahe, dass zumindest ein Teil der westantarktischen Eisdecke nicht wie befürchtet dünner wird, sondern mit
hoher Wahrscheinlichkeit sogar deutlich zulegt.
Archimedes und die Klimakatastrophe
03.07.2001
Anscheinend ist es einfach, wissenschaftliche Aussagen immer wieder unreflektiert und teilweise fehlerhaft abzuschreiben.
Ohne eine signifikante Reduktion der Treibhausgasemissionen werden Gletschermassive und Polarkappen weiter schmelzen und so zu
einem dramatischen Anstieg des Meeresspiegels führen.
(Quelle: www.expeditionzone.com, Link nicht mehr gültig).
Solche oder artverwandte Aussagen kann man fast überall nachlesen, geht es um Fragen des "Treibhauseffektes" oder der anstehenden Klimakatastrophe.
Diese Themen werden recht kontrovers diskutiert. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass fast immer undifferenziert von "den Polarkappen"
die Rede ist. Abgesehen davon, dass sich im Norden die Eisschicht anscheinend im Zunehmen befindet, so unterscheidet sich die
dortige Polarkappe von der südlichen erheblich. Denn die nördliche Polarkappe schwimmt - im Gegensatz zur südlichen, die Festland "unter ihren
Füßen" hat - fast vollständig auf dem Meer.
Was also geschähe, wenn das gesamte nördliche Eis schmelzen würde? Um wie viel würde sich aufgrund der ungeheuren Wassermengen der
Meeresspiegel anheben?
Eindeutige Antwort: nicht einen Millimeter!
Die Begründung ist elementar. Da das spezifische Gewicht von Eis - hier haben wir es mit einer so genannten Anomalie zu tun - kleiner ist als das
des Wassers, schwimmt Eis immer auf der Oberfläche. Dies gilt für Eisberge ebenso, wie für die Eisdecke eines Sees im Winter. Schmilzt das Eis,
so beansprucht das Schmelzwasser exakt jenes Volumen, das vorher vom Eis verdrängt wurde.
Nun zählt das Prinzip des Auftriebes nicht unbedingt zu den absoluten Neuigkeiten der Physik. Bereits der Grieche Archimedes
(etwa 287 v. Chr. - 212 v. Chr.) entdeckte dieses Gesetz, welches als das Archimedische Prinzip in die Geschichte der Physik einging.
Anspruch und Wirklichkeit
06.08.2001
Dass Anspruch und Realität in den Wissenschaften nicht immer übereinstimmen, ist teilweise bekannt.
Ein Beispiel aus der Pharmazie. Die Wissenschaften bedienen sich - wie sollte es auch anders sein - "wissenschaftlicher Methoden". Wie das im
Einzelnen aussieht, ist zunächst nicht ganz so wichtig. Jedenfalls dürfen wir uns in einer gewissen Sicherheit wiegen, wenn wir es mit Aussagen der
Wissenschaften zu tun haben. Da weiß man, wie "die Welt" entstanden ist und was man von den Atomen zu halten hat. Auch die Struktur des
Universums scheint keine unentschlüsselbaren Geheimnisse zu verbergen. Die Angelegenheit mit der in Aussicht gestellten Klimakatastrophe zeigt
sogar handfeste politische Konsequenzen. Und über die "Bausteine des Lebens" hat man derweil soviel herausgefunden, dass man - endlich - in der
Lage ist, die Medizin auf ein bisher noch unbekanntes Niveau zu heben. Das "Züchten von Ersatzteilen" ist nunmehr nur noch eine Frage der Zeit -
und des Geldes natürlich auch, sowie der Akzeptanz wissenschaftlicher Tätigkeiten jeglicher Couleur.
Nun gut, die Sache mit dem Urknall und die Kenntnisse über die Struktur der Welt sind im praktischen Sinne gesellschaftlich nicht besonders
bedeutungsvoll. Doch die medizinische Forschung mit all ihren Verheißungen weckt Hoffnungen, von denen sich erst später herausstellen könnte, wie
trügerisch viele davon sind. Nun, so könnte man etwa argumentieren, der Fall Contergan liegt "unendlich weit" zurück - vierzig Jahre ungefähr. Denn
schließlich hat man aus Fehlern gelernt. Pannen dieser Art sind heutzutage so gut wie ausgeschlossen.
Doch da findet man im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL (30/01) einen Artikel mit einer - für den SPIEGEL geradezu reißerischen - Überschrift:
Die große Hormon-Blamage
Fünf Millionen Frauen in Deutschland schlucken Hormone als Schutz vor Altersleiden jeder Art. Jetzt offenbaren neue Studien: Die von
Gynäkologen hoch gelobten Östrogene nutzen als Jungbrunnen wenig, die Nebenwirkungen der Dauertherapie wurden hingegen unterschätzt.
Die Sache mit dem permanent verschriebenen Östrogen könnte unsereins - bei hinreichend gutem Willen - als eine Panne ansehen, die man nicht
überbewerten sollte, weil sie - hoffentlich - noch keinen allzu großen Schaden angerichtet hat. Dem allerdings ist nicht so. Denn immerhin, sollten sich
die neueren Erkenntnisse bewahrheiten, ist man hier fast vier Jahrzehnte einem gewaltigen Irrtum erlegen. Als medizinischer Laie fragt man sich ganz
besorgt, wie dies über einen solch großen Zeitraum überhaupt möglich sein kann! Gehe ich persönlich von meinen laienhaften medizinischen
Kenntnissen aus, so war ich bislang der Meinung, die Angelegenheit mit den Hormonen ist ein "alter Hut"; und auf diesem Gebiet sind kaum neue
Erkenntnisse zu erwarten.
So kann man sich irren!
Hier noch eine Textpassage aus besagtem SPIEGEL-Artikel:
Herbeigeredet sind nach Ansicht der Kritiker die allermeisten Wohltaten, die den Östrogenen zugeschrieben wurden. "Die Ärzte fielen auf
Studien rein, die, weil sie nur ausgelesene Frauengruppen berücksichtigten, das Bild verzerrten", sagt Mühlhauser. Die positiven
Ergebnisse bei den Anwenderinnen gingen offenbar auf deren Lebensstil zurück: Wer die Therapie machte, war zumeist
gesundheitsbewusster, gebildeter und sportlicher. "Peinliche Wissenslücken" in der Gynäkologie, so empört sich Mühlhauser, würden erst
jetzt geschlossen. Die jahrzehntelange Verordnung komme einem "unkontrollierten Experiment" gleich. Ähnlich harsche Kritik übt auch
der US-Osteoporoseforscher Robert Recker: "Östrogen wurde schon massenhaft eingesetzt, bevor es überhaupt klinisch erforscht war."
Hier noch einige Aussagen, die nachdenklich machen sollten:
Mühlhauser zufolge ist solche Prophylaxe nichts als "pures Wunschdenken"; und leidvoll ist vor allem die Gewinnung des für Presomen
verwendeten Östrogens: Der Wirkstoff stammt aus dem Urin von Stuten, die in den USA einzig zu diesem Zweck stets aufs Neue
geschwängert werden. Als Wirkstofflieferantinnen verbringen sie ihr Leben in engen Boxen bei knapper Wasserzufuhr, weil der Urin dann
ertragreicher ist. Die als Nebenprodukt entstandenen Fohlen werden an den Schlachthof weitergereicht.
Da kann ich mir auf medizinischem Gebiet natürlich kein eigenes fundiertes Urteil erlauben; ich glaube aber, mich auf bestimmten anderen Gebieten
so weit auszukennen, dass ich mir sehr wohl ein Bild über Sinn und Unsinn wissenschaftlicher Aussagen machen kann. Wenn es also in der Medizin
(beispielsweise) so zugeht wie in der Physik und der Kosmologie (oder umgekehrt), dann will bei der "großen Hormonblamage" noch nicht einmal
die rechte Schadenfreude aufkommen. Es steht zu viel auf dem Spiel. Unter anderem auch die Glaubwürdigkeit der Wissenschaften. Und deren
Akzeptanz. Vielleicht, so dürfte man mutmaßen, ist vieles bereits verspielt worden.
Dann gibt es Kritiker der Kritik, die behaupten, durch Kritik werden die unwissenden Laien (und Konsumenten von Pharmaka) nur in überflüssiger
Weise verunsichert. So kann man das natürlich auch sehen. Damit allerdings hat man den Gipfel der Anmaßung erklommen, da sich jene Leute im
Besitz der "absolut endgültigen Wahrheit letzter Instanz" wähnen.
22.07.2001
Tierversuche werden für die verschiedensten Zwecke durchgeführt. Das war schon immer so. Muss es aber immer so bleiben?
Aus einem Aufsatz von Carl Friedrich von Weizsäcker aus dem Jahr 1947 (Quelle: Tierversuche, Forschungsfreiheit, Xenotransplantation, Link nicht mehr gültig) erfahren wir:
Ein guter Freund, der in einem Institut biologischer Richtung tätig ist, führte mich vor Jahren durch seine
Arbeitsräume und zeigte mir unter anderem eine große Anzahl von Mäusen, die erbliche Anlage zum Karzinom
haben und alle früher oder später daran sterben. Im weißen Laborkittel, mit der hingebenden Liebe des
Wissenschaftlers zu seiner Sache, zeigte er mir die in dem peinlich sauberen Zimmer aufgehäufte Summe willkürlich hervorgebrachten
wehrlosen Leidens. Als ich später im Kreis der Mitarbeiter jenes Instituts auf diesen Widerspruch hinwies, traf ich auf Verwunderung, ja
auf Zweifel am Ernst meiner Frage. Wie kann man Wissenschaft wollen und an ihren Mitteln Anstoß nehmen? Ich muß gestehen: ohne es
mir ausdrücklich vorzunehmen, und ohne dass im übrigen ein Schatten auf meine freundschaftlichen Beziehungen zu diesem Kollegenkreis
gefallen wäre, habe ich doch das Institut nicht mehr betreten. Das war Drückebergerei. Die Dinge ändern sich dadurch nicht, dass ein
einzelner es unterläßt, sie anzusehen.
Bemerkenswerte Sätze aus einer Zeit, als das Thema Tierversuche wirklich kein Thema für den "Normalbürger" war, denn der hatte, zwei Jahre
nach dem schrecklichen Krieg, wahrlich andere Sorgen. Doch die Tradition der Tierversuche blieb ungebrochen. Hier ein anderer Text aus dem darauf folgendem Jahrzehnt:
Das war er also, der berühmte Chirurg, der seit Wochen Schlagzeilen in der Weltpresse machte: Wladimir Petrowitsch Demichow,
Professor und Chef des wissenschaftlichen Forschungslaboratorium im Ersten Medizinischen Institut der Moskauer Universität. Bilder
von den Hunden, denen man einen zweiten Kopf aufgesetzt hatte, liefen damals durch alle Illustrierten. Im Januar 1959 war Demichow
zum ersten Mal in die Ostzone gekommen, um seine Künste an der Charité und an der Leipziger Universitätsklinik vorzuführen. (...) In
Paralleloperationen tauschte er bei zwei Hunden Herzen und Lungen aus. Einigen Hunden hatte er allein das Herz entfernt und es anderen
zusätzlich eingepflanzt. (...) Schließlich hatte er viele kleine Hunde halbiert und den Kopfteil samt Vorderpfoten auf den Hals eines großen
Hundes verpflanzt. Die Aorta des kleinen wurde mit der Halsschlagader des großen Hundes verbunden. (...) Die meisten Hunde überlebten
diese brutalen Operationen. Damit war der Beweis erbracht, dass der chirurgischen Technik schwierigste Organverpflanzungen möglich sind.
Der "Überlebensrekord" eines Hundes mit zwei (!) Herzen lag bei etwa drei Monaten. Dann traten die
bekannten Abstoßungs-Reaktionen (siehe auch Die Geschichte der Transplantation) ein. Fremdes
Gewebe und fremde Organe werden früher oder später abgestoßen. (Dieses Problem ist bis heute nicht
wirklich befriedigend gelöst. Die Gentechnik und Stammzellenforschung sollen hier eines Tages tatsächliche Abhilfe schaffen. So jedenfalls die bekannte Argumentation.)
Die Sätze über den russischen "Wunderchirurgen" entstammen dem bereits zitierten Buch
Der achte Tag der Schöpfung aus dem Jahr 1964. Liest man solche Texte heutzutage, so kann man sich leider des
Eindruckes nicht erwehren, dass hier ein Wissenschaftler seinem Spieltrieb freien Lauf gelassen hat. Die
experimentelle Methode als unabdingbares Element des wissenschaftlichen Fortschrittes! Dass dabei ein
paar "minderwertige" Tiere geopfert wurden, störte kaum. Nun ist es für den Laien äußerst schwierig einzuschätzen, welche entscheidende Rolle
Tierversuche bei den unbestreitbaren Erfolgen der Transplantations-Chirurgie beispielsweise tatsächlich spielten. Die spektakulären Versuche des
genannten russischen Wissenschaftlers vor etwa 40 Jahren trugen wohl kaum wesentlich dazu bei.
Wie auch immer, die aktuellen Fakten müssten nachdenklich stimmen. Hier einige Sätze der Vereinigung "Ärzte gegen Tierversuche" e.V. :
Jahr für Jahr werden weltweit etwa 100 Millionen Tiere in den Laboratorien der Universitäten und der Pharmaindustrie "geopfert", das
heißt vergiftet, infiziert, verätzt, verstümmelt, operiert, radioaktiv bestrahlt, gentechnologisch manipuliert und umgebracht. Affen, Hunde,
Katzen, Meerschweinchen, Kaninchen, Ratten und Mäuse. Tiere als Wegwerf-Messinstrumente und Demonstrationsobjekte für Forschung
und Wissenschaft. Nicht nur Tierschützer, immer mehr engagierte Ärzte und Wissenschaftler fordern das Ende der Tierversuche aus medizinischen und ethischen Gründen.
Und wenn von Weizsäcker vor über einem halben Jahrhundert die Frage "Wie kann man Wissenschaft wollen und an ihren Mitteln Anstoß
nehmen?" stellte, so kommt man mittlerweile nicht umhin, die Einsicht zu akzeptieren, dass man endlich doch an den Mitteln Anstoß nehmen muss.
Ganz ohne Tierversuche wird es wohl nicht gehen. Wo aber liegt die Grenze? Und wer ist in der Lage, Grenzen vorzugeben? Wie man auch die
Einzelheiten (auf einige dieser Details verweisen die externen Links) bewerten mag, so sollte man die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und
Lehre keineswegs als eine Freiheit von Verantwortung, auch den Tieren gegenüber, begreifen! Selbst, wenn man die - absolut fragwürdige - Haltung
der Zweck heiligt die Mittel teilt, so liegt die Überzeugung nahe, dass in einer Vielzahl der Fälle es kaum noch um einen Zweck geht: Die
Forschung selbst, mit all ihren oftmals negativen Begleiterscheinungen, ist zum Zweck geworden. Und die haarsträubenden Aktivitäten des russischen
Chirurgen vor über vier Jahrzehnten sind leider kein einmaliger Ausrutscher geblieben.
Hier der Beweis (Nachtrag 03.01.2002):
Unter “Design-Kind? Warum nicht!” finden wir (Link nicht mehr gültig):
Am 02.09.01 verstarb im Alter von 78 Jahren Dr. Christiaan Barnard, der 1967 das erste menschliche Herz verpflanzte.
Im Juli 01 wurde in DIE WELT ein Interview mit Dr. Barnard zu den neuen Perspektiven und Problemen der
Fortpflanzungsmedizin, Genetik und Stammzellforschung geführt. Die unkonventionellen Ansichten des Pioniers der Transplantationschirurgie können Sie hier nachlesen.
Und hier einige bemerkenswerte Sätze des “Pioniers der Transplantationschirurgie” im Rahmen dieses Interwievs:
Barnard: …Ich selbst habe übrigens auch mal eine Kopftransplantation durchgeführt. An einem Hund, aber ohne den alten
Kopf zu entfernen. Er hatte anschließend zwei Köpfe. DIE WELT: Warum? Aus reiner Experimentierfreude? Barnard:
Ja, ich würde das auch nicht wiederholen. Damals war ich in der UdSSR eingeladen, wo gerade ziemlicher Rummel herrschte über
so einen Tierversuch. Ich sah, wie einfach das ist, und wollte es hinterher auch mal ausprobieren. Man muss nur die Blutadern zusammenfügen
, und der Hund kann mit zwei Köpfen umherlaufen. Der zweite Kopf sprach anschließend sogar auf Milch an, und beide Köpfe tranken
gleichzeitig. Das zeigte ich dann stolz meinem Chef im Krankenhaus. Aber der sagte nur, ich solle sofort aufhören damit. DIE WELT: Was wäre passiert, wenn Sie auch die Nervenstränge des zweiten Kopfes hätten anschließen können?
Barnard: Das hätte eine ziemliche Konfusion im inneren Befehlssystem des Hundes ergeben.
Information (I)
30.08.2001
Das Wichtigste in den Wissenschaften scheint die Beschaffung von Informationen zu sein. Doch wie geht man mit der Infoflut um?
"Wissen ist Macht", äußerte ein kluger Mensch vor geraumer Zeit. Dieser Ausspruch stammt aus dem Jahr 1597
und von einem gewissen Francis Bacon (1561-1626).
Diesen Slogan (eventuell nicht ganz sauber interpretiert) machen sich in allen Ländern die Regierungen zur Maxime. Als ein
Instrument zur Umsetzung dieser Erkenntnis sind die Geheimdienste zu nennen. Wenn man weiß, was der
"Gegner" will und kann und tut, dann ist Gefahr nur noch halb so groß - von jener Gefahr einmal abgesehen, die ein Geheimdienst an sich schon verkörpert.
Das Ganze funktioniert anscheinend recht gut. Im Allgemeinen. Und solange man es nicht übertreibt.
Da gab es einst in deutschen Landen einen Staat, dessen Name mir momentan entfallen ist, den es aber nicht mehr gibt
. Und dabei hatte man damals weder Kosten noch Mühe gescheut, dafür zu sorgen, dass es ihn möglichst lange noch geben wird.
"Wissen ist Macht". Unter anderem.
Ein wichtiger Machtfaktor in jenem Land war die Information. Und weil Information als so wichtig angesehen wurde, hatte man eine mächtige
Institution geschaffen, die - neben vielem anderen auch - mit der Beschaffung, Verwaltung und Auswertung von Informationen beschäftigt war. Das -
äußerst unrühmliche - Ende dieses Landes kennen wir. Dieser nicht mehr vorhandene deutsche Staat hielt weltweit wohl eine Spitzenposition, wenn
es um die "Pro-Kopf-Information" ging. Es brachte jedoch nichts, weil es zu viele Informationen waren, und weil diese vielen Informationen gefiltert
und interpretiert und ignoriert wurden auf Basis einer ganz bestimmten Ideologie. Selbst wenn es Menschen gegeben haben sollte, die aufgrund ihres
Wissens ein solches Ende hätten voraussagen können, so hat dies nichts genützt. Die Informationen waren da, aber niemand in der Lage, aus den
vorhandenen Informationen - auch im Sinne der damaligen regierenden Gruppe - langfristig einen Nutzen zu ziehen, jenen Nutzen nicht gerechnet,
den die Wissenden für sich persönlich haben herausschlagen können.
Was lernen wir daraus?
Erstens bilden Informationen kein Allheilmittel gegen (gesellschaftliche) Krankheiten jeglicher Art.
Zweitens gibt es weder "die Menschheit" noch "den Staat", sondern aus Menschen und Gruppen von Menschen sich zusammensetzende
gesellschaftliche Strukturen, die bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Einzel- und Gruppeninteressen bestimmen den Lauf der Dinge - und zwar aller
gesellschaftlichen Dinge.
Und drittens sollten wir der Vernunft eine nur untergeordnete Bedeutung zugestehen, weil man den Einfluss der Vernunft des Einzelnen - das kann als
erwiesen gelten - wirklich nicht überbewerten darf. Selbst der größte Schwachsinn ist anscheinend immer begründbar. Um dies zu veranschaulichen,
ist es nicht einmal erforderlich, rückblickend einen Abstecher in die "Geschichte der Menschheit" zu unternehmen. Auch die Gegenwart bietet
genügend Anhaltspunkte für die ungebrochene Macht des Irrationalen.
Wir wissen sehr viel, und wir können sehr viel. Wenn wir bedenken, wie sich das Wissen in unserem Jahrhundert hatte entwickeln können, so kann
einem geradezu schwindlig werden. Und alles was wir erreicht haben, war dadurch nur erreichbar, weil (auch) alle technischen Errungenschaften auf
einem naturwissenschaftlichen Weltbild aufbauen konnten, das nicht einmal übermäßig alt ist. Und in Bezug auf dieses Weltbild haben alle bisherigen
Äußerungen offensichtlich keinen Wert. Wissenschaft zeichnet sich durch Objektivität aus. Wissenschaft betreiben heißt, sich mit den Tatsachen zu
befassen. Wissenschaft betreiben bedeutet, sich an dem orientieren, was Beobachtung und Experiment an Informationen bereitstellen.
Das Problem: Ist man überhaupt in der Lage, die Informationen richtig zu bewerten? Bilden unsere etablierte wissenschaftliche Weltsicht und die
etablierten gesellschaftlichen Strukturen, die diese etablierte wissenschaftliche Weltsicht vertreten und verfeinern, überhaupt die Voraussetzungen
dafür, der Informationsflut noch Herr zu werden?
Erstens ist man nicht wirklich in der Lage, alle bereits vorhandenen Informationen sinnvoll zu interpretieren oder gar zu nutzen, sondern man sucht
das Heil in der Beschaffung immer weiterer Informationen, ohne die alten überhaupt in ein einigermaßen geschlossenes Bild einfügen zu können.
Die Auswüchse der gigantischen Experimentiertechnik zeichnen ein deutliches Bild von den Problemen, mit denen etwa die Physik zu kämpfen hat.
Zweitens sind - auch und gerade auf wissenschaftlichem Gebiet - Einzel- und Gruppeninteressen Motor und Richtschnur für die konkrete
Entwicklung, spätestens seit die Forschung zu einem gewichtigen Wirtschaftsfaktor geworden ist. Und - drittens - ist man seit Jahrzehnten dabei, die
Vernunft auf ein Abstellgleis zu rangieren.
Dies sind recht provokante Äußerungen, die zu untersetzen man durchaus in der Lage ist. Im nächsten Beitrag dazu etwas mehr.
Information (II)
10.09.2001
Die Aufgabe der Experimentalphysik besteht heutzutage fast nur noch darin, die ungeheuren Datenmengen zu noch gewaltigeren
Datengebirgen zu vermehren.
Schaut man auf der Homepage des Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY (siehe Foto) nach, so findet man unter anderem folgende
Informationen:
Das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY, Mitglied der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft
deutscher Forschungszentren, ist ein nationales Zentrum der physikalischen Grundlagenforschung
. Standorte von DESY sind Hamburg und Zeuthen. Die hier betriebenen Beschleuniger werden für die Teilchenphysik und für die Forschung mit Synchrotronstrahlung genutzt.
... Die jährlichen Zuwendungen von DESY Hamburg betragen 270 Mio. DM bei 1046 Planstellen,
von DESY Zeuthen 25 Mio. DM bei 126 Planstellen. Der Etat wird zu 90 Prozent vom Bund
(Bundesministerium für Bildung und Forschung) und zu 10 Prozent von der Stadt Hamburg beziehungsweise dem Land Brandenburg getragen.
Nun, 270 Millionen Mark (oder 138 Millionen Euro) sind wahrlich kein Pappenstiel. Man erwartet dafür etwas. In erster Linie wohl Erkenntnisse.
Gewiss kann man eine Großforschungseinrichtung - hier am Beispiel des DESY - auch aus kritischer Distanz betrachten. In seinem SPIEGEL
-Artikel (44/1999) formulierte ein Hans Graßmann einige kritische - und auch etwas polemisch vorgetragene - Gedanken, die in der wohl etwas
unrealistischen Aufforderung gipfelten: Sperrt das Desy zu! (Link nicht mehr gültig). Hier einige Zeilen jenes Artikels:
Beispiel Desy, Hamburg, Großforschungslabor für Teilchenphysik mit weit über 1000 Mitarbeitern und um die 250 Millionen Mark Etat
pro Jahr. Wissen Sie, lieber Steuerzahler, was die "Teilchenphysiker" am Desy tun? Und vor allem, warum sie es tun?
Sie möchten es gerne wissen? Bitte sehr, dies ist, was das Desy tut: Neben einigen weniger wichtigen Dinge studiert man vor allem
Pomeronen, Strukturfunktionen und Leptoquarks. (Diese Auflistung basiert auf einem Vortrag, den kürzlich ein leitender Desy-Manager
am Cern gab. Sie berücksichtigt nur die Teilchenphysik, mein eigenes Spezialgebiet.)
...Die Strukturfunktion des Protons beschreibt, wie das Proton (ein Bestandteil des Atomkerns) aus kleineren Quark- und Gluonteilchen
zusammengesetzt ist. Denn das Proton ist kein punktförmiges Teilchen, sondern es hat eine innere Struktur. Entdeckt wurde dies in
Stanford vor über 40 Jahren. Die Protonstruktur wurde inzwischen - Zeit genug war ja - ziemlich genau vermessen. Das Desy ist nun
damit beschäftigt, jährlich neue Weltrekorde der Messgenauigkeit aufzustellen. Zum Beispiel zu messen, ob das Proton bei einer
bestimmten Energie 200 oder doch eher 205 Gluonen enthält - eine Frage, die weder für den Rest der Physik noch für den Rest der Welt
irgendeine Bedeutung hat. Im Grunde genommen nicht einmal für die Strukturforscher selbst, denn die Messungen werden allmählich
genauer als die theoretischen Vorhersagen, sind also von nichts sagender Genauigkeit. Auf diese Kritik antwortete der Desy-Mann, man
könne nun einmal so genau messen mit den Geräten, die man habe. Deshalb tue man es.
...Wir befinden uns in einem Teufelskreis: Die Physik ist eindeutig auf dem Rückzug aus unserer Gesellschaft. Und das führt zu Zuständen,
wie sie am Desy herrschen. Und das Desy wiederum, indem es behauptet, seine sinnlose Massenproduktion von Zahlenkolonnen sei Physik,
treibt diesen Rückzug weiter voran, unter Dampf gehalten von einer Unmenge verbrannter Steuergelder. Es besteht die Gefahr, dass eine
sich immer besser organisierende, gleichgültig gemachte Spaßgesellschaft irgendwann nicht mehr in der Lage ist, diesen Rückzug auch nur zu bemerken.
Nun ja, diese Kritik kann vielleicht nicht in allen Punkten kritiklos hingenommen werden, aber sie berührt leider den Kern der Angelegenheit: Die
Grundlagenforschung (hier vorrangig die Physik) erschöpft sich im Beschaffen von ungeheuren Datenmengen ("sinnlose Massenproduktion von Zahlenkolonnen").
Dies hat nicht unbedingt nur etwas mit dem DESY zu tun. Die beobachtende Astronomie, um ein weiteres Beispiel zu nennen, steht auch nicht
wesentlich besser da. Die heutige Beobachtungstechnik - vom gigantischen stationären Teleskop bis hin zum Hubble-Weltraumteleskop - verschafft uns Sichten auf bislang unbekannte Gebiete. Verschafft sie uns aber tatsächlich neue Einsichten
? Wie es aussieht, darf man durchaus daran zweifeln.
Das Ergebnis wissenschaftlicher Forschungstätigkeit kann sich sehen lassen. Die Mengen bedruckten Papiers sind gewaltig.
Im Jahr 1905 veröffentlichte ein "technischer Experte III. Klasse" des Berner Patentamtes in den Annalen der Physik (Band 17) drei Aufsätze:
- Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt
- Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in ruhenden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen
- Zur Elektrodynamik bewegter Körper
Im ersten Aufsatz geht es um die Problematik der Lichtquanten (siehe auch Einstein und die Lichtquanten). Der zweite Beitrag setzt sich mit der so
genannten Brownschen Bewegung auseinander. Und im dritten Aufsatz wurde der Grundstein für die Spezielle Relativitätstheorie gelegt. Der Autor
der drei Aufsätze dürfte allgemein bekannt sein. Mindestens einen Physiker kennt wohl jeder: Albert Einstein.
Was die Quantenhypothese angeht, so wurde der Beitrag "Über das Gesetz der Energieverteilung im Normalspektrum" am 14.12.1900 vorgetragen von Max
Planck. Die wegweisenden Arbeiten (im Sinne der traditionellen Physik), an diesen Beispielen aufgezeigt, sind durchaus überschaubar.
Auch mit den Namen gibt es kaum Probleme - Einstein ist zur Legende geworden. (Legenden sind jedoch nicht völlig unproblematisch, aber das
soll momentan nicht interessieren.)
Die wissenschaftliche Arbeit ist die eine Seite der Medaille - das Publizieren der Forschungsergebnisse und Erkenntnisse die andere. Die "Zeitschrift
für Physik" beispielsweise wurde 1920 gegründet und erreichte zehn Jahre später einen Umfang von stolzen 6900 Seiten. In diesem Zeitraum
erschienen weltweit etwa 120 physikalische Zeitschriften - ein Drittel davon in Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich so vieles,
unter anderem übernahmen Zeitschriften aus dem englischsprachigen Raum die Führungsrolle. Und der Papierberg wurde immer größer.
Die Publikationsflut scheint keine Dämme zu kennen. Werten wir nur die international bedeutenden Zeitschriften aus, so erhalten wir etwa folgende
Statistik (Quelle: Physik-Handbuch 1998, Stand der Daten 1996):
Land
|
Anzahl der Zeitschriften
|
Anzahl der Seiten
|
Deutschland
|
2
|
13130
|
Frankreich
|
3
|
7240
|
Großbritannien
|
6
|
34770
|
Japan
|
2
|
6660
|
Niederlande
|
4
|
78490
|
Russland
|
1
|
2480
|
USA
|
7
|
140140
|
|
Das macht summa summarum etwa 280000 bedruckte Seiten pro Jahr. Möge auch nur die Hälfte davon physikalisch relevante Informationen
enthalten, so kommen wir auf ungefähr 140000 Seiten. Aufgrund der weitgehenden Spezialisierung der Forschungsgebiete, sind vielleicht ein Zehntel
davon wichtig. Das Ergebnis kann sich immer noch sehen lassen. Für 14000 Seiten Text im Jahr (oder 1160 Seiten im Monat) müsste man sich
interessieren. Dies ist sinnlos (auch dann, wenn diese Milchmädchen-Rechnung mit großer Vorsicht zu genießen ist). Wer ernsthaft sich bemühen würde, sich für
alle relevanten Informationen seines Fachgebietes zu interessieren, käme nicht mehr zur seiner eigentlichen Arbeit.
Was aber sind "alle relevanten Informationen"?
Und: Worin besteht diese Arbeit denn eigentlich?
Ganz einfach: Im Produzieren von Forschungsergebnissen, die in einem wichtigen Fachjournal veröffentlicht werden können. Den Sprung in die
Massenmedien, und damit in das Bewusstsein der Laien, gelingt nur wenigen spektakulären Forschungsthemen.
Und was dabei mitunter herauskommt, ist gleichfalls mit Vorsicht zu genießen.
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